Die Reform des Arbeitslosengelds löst keine Probleme

Die Reform des Arbeitslosengelds löst keine Probleme
Menschen, die auf Jobsuche sind, zu triezen schafft noch keine neuen Beschäftigungsverhältnisse

Arbeitsminister Kocher hat die oft angekündigte Reform des Arbeitslosengelds noch immer nicht vorgelegt. Muss sich etwas ändern? Ja, unbedingt. Denn in seiner wichtigsten Funktion der Existenzsicherung versagt das Arbeitslosengeld. 9 von 10 Arbeitslose bekommen weniger als 1.200 Euro, zwölf Mal im Jahr. (Nur zum Vergleich: Die Armutsgrenze für einen Einpersonenhaushalt liegt bei 1.328 Euro.)

Erschwerend kommt dazu, dass die meisten Arbeitslosen zuvor in schlecht bezahlten Jobs arbeiteten. Kein Wunder, dass mehr als die Hälfte der Arbeitslosen eigene Ersparnisse aufbrauchen muss, ein Viertel muss sogar Familienmitglieder und FreundInnen um Geld bitten. Zweites Problem: Langzeitarbeitslosigkeit bleibt ein Stigma. Denn allen Beteuerungen von Unternehmen zum Trotz werden gerade ältere, gesundheitlich beeinträchtigte und schon länger Arbeitssuchende weniger oft eingestellt. Schon nach sechs Monaten Arbeitslosigkeit müssen Menschen im Schnitt 14 Bewerbungen versenden, um zu einem einzigen Bewerbungsgespräch eingeladen zu werden. Das dritte Problem ist die Saisonarbeitslosigkeit. Jeder siebte neue Job ist eigentlich ein alter: der Arbeitslose war zuvor beim selben Unternehmen tätig und wurde beim AMS „zwischengeparkt“. Die Praxis ist gerade in Bau und Tourismus weit verbreitet: Der einzelnen Arbeitnehmerin kosten sie Einkommen, der Allgemeinheit mindestens eine halbe Milliarde Euro im Jahr.

Einen Anreiz für Arbeitgeber, die Praxis einzustellen und Ganzjahresbeschäftigungen anzubieten gibt es in Österreich nicht – anders als etwa in den USA. Was bisher zur Arbeitsmarktreform aus Regierungskreisen, auch im KURIER, durchsickerte, ist indes keine Antwort auf diese tatsächlichen Probleme. Weiterhin scheint die Devise zu lauten, dass man Arbeitslosigkeit am besten bekämpft, indem man die Arbeitslosen triezt. Das „degressive“, also im Zeitverlauf immer geringer werdende Arbeitslosengeld soll auf magische Weise Menschen in Jobs bringen.

Weil Österreichs Arbeitslosengeld aber so gering ist, dass viele Arbeitslose zusätzlich Mindestsicherung beziehen müssen, ist eine weitere Kürzung schwierig. Es muss also am Anfang mehr werden. Aber: Für arbeitssuchende Menschen und die Verhinderung von Armut will die Regierung kein zusätzliches Geld ausgeben. Diskutiert wird nun eine zweiwöchige „Bezugssperre“. Direkt nach dem Jobverlust gibt es also nur das halbe Geld. Das Arbeitslosengeld ist also im ersten Monat sehr niedrig, dann leicht höher, dann so niedrig wie heute? So kann man vielleicht die AMS-Verwaltung beschäftigen, aber wohl keine Arbeitslosen. Rund 387.000 sind aktuell in Österreich ohne Job. Das sind weniger als in den Tiefen der Corona-Krise, aber immer noch zu viel. Davon sind 151.000 Langzeitarbeitslose. Noch wird die Zahl der Arbeitslosen außerdem durch die Kurzarbeit gedrückt: Zehntausende Menschen gelten zwar nicht als arbeitslos, beziehen ihren Lohn aber zum Großteil vom AMS.

Die Antwort darauf muss heißen: aktive Beschäftigungspolitik. Bloß an Schräubchen des Arbeitslosengelds herumzudrehen, wird nicht reichen.

Barbara Blaha leitet die sozialliberale Denkfabrik Momentum Institut.

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