Die Krönung des Premiers

Die Krönung des Premiers
Welche Herausforderungen auf Rishi Sunak nun warten

Die Bilder von König Charles, wie er den Premierminister, einen Mann dreißig Jahre jünger und um einiges reicher, empfangen hat, gingen um die Welt. Rishi Sunak, der erste hinduistische Premierminister Großbritanniens, war wie immer makellos gekleidet, im Kontrast zu Charles’ Vorliebe für alte, vielfach verwendete Anzüge.

Sunak wurde soeben von seiner Partei gekrönt, ohne jegliche Wahl. Nun stand er vor dem obersten Gouverneur der anglikanischen Kirche; Der Erzbischof von Canterbury versprach, den frischgebackenen Premier in sein Gebet aufzunehmen. Um die Auswanderung nach Großbritannien in der Hoffnung auf ein besseres Leben finanzieren können, verkaufte Sunaks Großmutter seinerzeit ihren Hochzeitsschmuck. Die Familie ließ sich zunächst in Leicester, in Mittelengland nieder. Vor Kurzem kam es dort zu Ausschreitungen zwischen Muslimen und Hindus. Viele Einwanderer kamen mit einem ausgeprägten Unternehmensgeist, eröffneten kleine Geschäfte, arbeiteten rund um die Uhr und haben Bildung geschätzt als der Schlüssel zum sozialen Aufstieg. Sunak hat sich zuerst für die Politik interessiert als die Labour Regierung unter Tony Blair an die Macht kam. Eine Karriere als Labour Politiker war aber nicht sonderlich attraktiv. Sunak war abgeschreckt von Blairs Schottlandpolitik, die in seinen Augen ein Auseinanderfallen des Vereinigten Königreichs befeuern würde.

Sunak war mit rassistischen Vorurteilen konfrontiert, die sich quer durch britische Eliteeinrichtungen ziehen. Dennoch schafften es manche Enkelkinder der ersten Migrantengeneration bis ganz nach oben. Großbritannien ist eine multikulturelle Gesellschaft. Dennoch bestehen tiefe Gräben zwischen den Kritikern der Kolonialzeit und den Verehrern einer imperialen Vergangenheit.

Die sogenannte „cancel culture“ führte bisweilen zu einer Schändung von Statuen von Sklavenhändlern und Aufforderungen, Straßennamen umzubenennen.

Sunak wird hier Fingerspitzengefühl zeigen müssen, um Brücken zwischen der Vergangenheit und der Gegenwart bauen zu können. Er wird eine Einwanderungspolitik formen müssen, die den Zugang zu Großbritannien verweigert und gleichzeitig Visaerleichterungen erlaubt für indische Bürger, um ein Handelsabkommen mit Indien abzuschließen. Sunak bildete eine neue britische Regierung auf Ersuchen eines Königs, dessen eigene Krönung nächstes Jahr ansteht.

Charles hat dabei die Möglichkeit, die Worte seines Eides „Defender of the Faith“ („Verteidiger des Glaubens“), eines alten Titelbestandteils britischer – christlicher – Monarchen, auf „defender of faith“ abzuändern, um eine symbolische Geste an eine multikonfessionelle Gesellschaft zu richten. Charles könnte sehr wohl mit dem jungen Mann konsultieren, der demütig vor ihm stand und den er als seinen ersten Premierminister empfangen hat.

Melanie Sully ist britische Politologin und arbeitet in Wien.

Kommentare