Die EU hat etwas zu vergeben – Wien will es

Die EU hat etwas zu vergeben – Wien will es
Wann immer die EU eine Behörde vergibt, will sich Österreich vordrängen. Ein Gastkommentar von Stefan Brocza.

Auf europäischer Ebene wird aktuell das Anti-Geldwäsche-Paket verhandelt. Teil davon ist die Gründung einer neuen Behörde – der Anti-Money Laundering Authority (AMLA). Letzte Woche nun sind Wiens Bürgermeister Michael Ludwig sowie die Vizepräsidentin des EU-Parlaments Evelyn Regner vor die Presse getreten und haben verkündet, man werbe darum, dass Wien Sitz dieser neuen EU-Agentur sein möge. Immerhin sei man ja bekanntlich die lebenswerteste Stadt. Da würde AMLA mit ihren 650 Arbeitsplätzen und geschätzten 13,7 Mio. Euro Steuereinnahmen doch gut dazu passen.

Den beiden SPÖ-Politikern scheint nur entgangen zu sein, dass bereits im Jahr 2021 der damalige Finanzminister Gernot Blümel die Bewerbung um diese Agentur deponiert hat. Seither ist Österreich dann eher dadurch aufgefallen, dass es etwa das zentrale Element der Bekämpfung von Geldwäsche – die Begrenzung von Bargeldzahlungen – vehement ablehnte. Oder dass sich so manche Oligarchen-Milliarde wunderbar im Land parken lies. Von langfristiger strategischer Planung und Konzentration auf das Vorhaben, AMLA in Wien anzusiedeln, war jedenfalls nichts zu bemerken. Selbst als die nationalen Parlamente zu einer Stellungnahme zum Anti-Geldwäsche-Paket eingeladen wurden, schwieg man lieber. Im Gegensatz zu Spanien und Frankreich, die jetzt prompt als aussichtsreiche Kandidaten gehandelt werden.

Jetzt, wo die Entscheidung auf EU-Ebene ansteht, hat man plötzlich – und wieder einmal viel zu spät – erkannt, dass Wien eigentlich der geeignete Platz für diese Agentur sei. Das kommt einem bekannt vor. Man erinnere sich nur an die Bewerbungen um die Arzneimittelbehörde EMA und die Bankenaufsichtsbehörde EBA im Jahr 2017, wo man auch zu spät und unter völliger Verkennung der politischen Realitäten den Hut in den Ring warf und enttäuscht feststellen musste, dass man aussichtslos war. Oder 2021, als man der Meinung war, dass HERA, die neue EU-Behörde für Krisenvorsorge und -reaktion bei gesundheitlichen Notlagen, unbedingt hier angesiedelt werden müsse: Wann immer es in Brüssel etwas zu vergeben gibt, will man es in Wien plötzlich. Gegen jede Vernunft, gegen jeden Binnenpluralismus. Und jedes Mal wieder ist man erstaunt und enttäuscht, dass man am Ende mit leeren Händen dasteht. So wie diesmal wohl auch wieder.

Bei den Verhandlungen zwischen EU-Ministerrat und Europaparlament um den künftigen Sitz von ALMA wird man wohl kaum Unterstützung anderer Staaten erhalten. Wer den Schengen-Beitritt von Rumänien und Bulgarien blockiert und von Italien wegen der Transitfrage vor den EuGH gezerrt wird, darf jedenfalls nicht überrascht sein, wenn er selbst in Brüssel und Straßburg durchfällt. Lebenswert allein reicht eben schon lange nicht mehr.

Stefan Brocza ist Experte für Europarecht und internationale Beziehungen.

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