Die Autoerotik der Macht

Ein Mann mit braunen Haaren und einem schwarzen Hemd blickt in die Kamera.
Die SPÖ und ihr Verhältnis zur eigenen Wichtigkeit. Ein Gastkommentar von Daniel Witzeling.

Die Sozialdemokratische Partei Österreichs zeichnet sich nicht erst seit Alfred Gusenbauer durch ein besonderes Verhältnis zur Macht aus. Jener beschrieb sogar seine Beziehung zu dieser als durchaus erotisch.

Nahezu könnte man von einer Autoerotik der Bewegung sprechen, wenn man berücksichtigt, dass diese sich trotz aller Pannen und personellen Querelen immer noch als staatstragenden Einflussfaktor wahrnimmt. Autoerotik bezeichnet die Lust am eigenen Selbst.

An sich ist Selbstliebe nichts Schlechtes, ist sie doch eine wichtige Voraussetzung, um andere Menschen zu lieben. Überspringt man aber diese tiefenpsychologische Entwicklungsphase nicht, dann können wir das erleben, was wir aktuell bei der SPÖ beobachten. Eine reine Beschäftigung mit sich selbst, die – wie man anhand Andreas Bablers Parteitagsrede sowie dem fatalen Abstimmungsprozedere erkennen konnte – in Selbstüberschätzung mündet.

Die Anspannung und der Druck machen sich bei Babler durch einen schnellen Redefluss und eine erhöhte Frequenz des Lidschlags psychophysiologisch bemerkbar. Kein Fortschrittsgewinner, kein klassisches High Potential, sondern einer, der das Feld von hinten aufrollt. Defizite machen in einer Zeit der scheinbaren Perfektion und künstlicher Intelligenz sympathisch. Die überspitzte Kernaussage: „Wir haben die Lösungen für alle Probleme.“

Daueremotion

Das Verlangen nach der Rückeroberung der Macht ist groß. Mann oder Frau kann sich eine Bewegung mit dezenten Anzeichen von proletarischer Logorrhö herbeireden. Es wird alles versprochen, was geht.

Aus der Daueremotion entstehen Wurmsätze ohne Punkt und Beistrich in einer Rede eines Bürgermeisters in Rage. Wer fühlt sich da nicht angesprochen, wenn einem warme Eislutscher vom Himmel versprochen werden?

Die bittere Realität sieht leider gerade unter jahrzehntelanger Mitwirkung der SPÖ in Bund und Ländern anders aus. Die Endkonsequenz ist ein sich selbst überbetonendes Verhalten, welches sich bei der SPÖ als einstiger Partei mit jahrelangem Machtanspruch breitgemacht hat. Während es der FPÖ an politischer Reife und Erfahrung in Bezug auf Staatsverantwortung fehlt, hat sich bei der SPÖ wie bei der ÖVP eine derartige Saturierung und ein Selbstbild ihrer Rolle als bedeutende Entscheidungsträger entwickelt, dass man sich die Frage nach der eigenen Bedeutung im Sinne der Selbstreflexion gar nicht mehr stellt.

Es wird einfach davon ausgegangen, dass die SPÖ die Lösungen für die Zeit hat. Dabei wird übersehen, dass viele Menschen sich gar nicht mehr für ihre Lösungen geschweige denn für ihre Ideologie und Werte interessieren. Übrig bleibt ein teilweise rein autoerotisches Spiel mit dem Gefühl der eigenen Wichtigkeit für den Staat und dessen Bürger.

Daniel Witzeling ist Psychologe, Sozialforscher und Leiter des Humaninstituts Vienna

Kommentare