Aus Fehlern lernen

Auch wenn es unbestritten leichter ist rückblickend den richtigen Weg durch die Pandemie zu kennen als im Augenblick der Entscheidungen ist es trotzdem sinnvoll einen Blick auf das österreichische Vorgehen zu werfen, um für die Zukunft zu lernen. Betrachtet man die Übersterblichkeit im europäischen Vergleich, reicht es für Österreich trotz der hohen Maßnahmenanzahl und des Finanzaufwandes nur zu einem mäßigen Erfolg. Ich vermute fünf Hauptfaktoren, die zu dieser ungünstigen Situation geführt haben.
1. Ein Grundfehler war die Politisierung des Themas. Nachdem sich zu Pandemiebeginn der damalige Kanzler als oberster Krisenmanager inszenierte, wurde das Thema „Umgang mit Covid“ zu einem Spielball der Parteiabgrenzungen. Zur politischen Profilierung übertrafen sich die Protagonisten mit Vorschlägen, ein Nachteil, der einen wissenschaftlichen Weg erschwerte.
2. Die Emotionalisierung der Bedrohung steigerte die Polarisierung. Angst ist aber kein guter Ratgeber, um basierend auf Daten Schlüsse für Maßnahmen zu ziehen.
3. Ein Fehler lag auch im Versuch, die Pandemie durch eine Art Mikromanagement zu meistern. Es wurde eine Fülle von Regeln für nahezu jede Lebenssituation entworfen, und diese Regeln laufend verändert. Heute ist es schwierig zu wissen, wann man wo welche Maske tragen muss, wie die genaue Zutrittsregelung wo aussieht, und wie man sich als Kontaktperson verhalten muss. Es sollte Basiswissen jeder Steuerung gesellschaftlicher Gefüge sein, dass soziale Gruppen nur mit verständlichen, eindeutigen, und mittelfristig gültigen Maßnahmen umgehen können. Je kleinteiliger, komplizierter und widersprechender Maßnahmen sind, desto weniger werden diese befolgt.
4. Eine österreichische Besonderheit, die im Falle der Pandemie schwer nachzuvollziehen ist, war die Idee, dass Maßnahmen föderalistisch sein müssen. Es ist fast absurd, wie Landeshauptleute in die Steuerung eingriffen, sich als Experten gerierten, und länderbezogene Wege entwickelten.
5. Letztlich war auch die Kommunikation nicht geeignet, um einen österreichischen Erfolgsweg zu schreiben: die Unterscheidung in die „guten“ Maßnahmenbefolger versus die „bösen“ Kritiker verschärfte das gesellschaftliche Klima, was eine sachliche Diskussion über Sinnhaftigkeit und Stringenz der Maßnahmen erschwerte. Schon wenn man ein Detail der Maßnahmenpakete andiskutierte, oder datenbasierte Entscheidungsgrundlagen forderte, wurde man als „Covid Leugner“ stigmatisiert, ein in einer wissenschaftlichen oder demokratischen Diskussion schädlicher Vorgang.
Rückblickend bleibt zu hoffen, dass eine Analyse des Vorgehens, der entstandenen Effekte, und der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Auswirkungen zu einem Lerneffekt führt, der für zukünftige Herausforderungen ein datenbasierteres Vorgehen ermöglicht.
Klaus Atzwanger ist Verhaltenswissenschaftler und Unternehmensberater
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