Alte Meister?

Alte Meister?
Über das heutige Selbstverständnis der Kunst-Universitäten

Offenbar taugen die österreichischen Kunstuniversitäten in bestimmten kulturellen Milieus als Feindbild, weil sie klassische Vorstellungen von Schönheit, Autorschaft und Unmittelbarkeit über Bord geworfen haben . Vor dieser Auseinandersetzung brauchen die Kunstunis sich nicht zu fürchten. Im KURIER vom letzten Sonntag wird anlässlich eines Gesprächs mit Kunstforum-Chefin Ingried Brugger über Helmut Newton gegen die Kunstunis als Stätten eines neuen künstlerischen Moralismus polemisiert. In einer Reihe von Formulierungen wird die Kultur der Diversität und der gesteigerten sozialen und ökologischen Verantwortung beklagt. Mehrfach ist larmoyant davon die Rede, was heute nicht mehr möglich sei (mit Geldverdienen mache man sich heute „verdächtig,“ „Heute müssen wir lauter recycelte Fetzen anziehen“).

In einer geschichtspolitisch signifikant unsensiblen Formulierung wird davon gesprochen, dass Provokation heute durch einen „Vernichtungswille[n]“ abgestraft würde. Und schließlich wird das Prinzip der Meisterklasse (mit Daniel Richter) als Idealbild einer guten alten österreichischen Kultur (man war „stolz darauf“) genannt.

Oha. Da kommt einiges an Ressentiments zusammen. Über den künstlerischen Rang Helmut Newtons wäre viel zu sagen. Es scheint aber, als würde der Anlassfall Newton lediglich genutzt, um eine kulturelle Nostalgie zum Ausdruck zu bringen, in der alte weiße Männer und ihr jeweiliger Fetisch noch ihren geordneten Platz hatten. Für eine solche Haltung rückwärtsgewandter Rekanonisierung, die es vermag die „Menschen zu beglücken“, ist Newton offensichtlich ein geeigneter Stichwortgeber. Für heutige Kunstuniversitäten ist es allerdings in der Tat nicht mehr zeitgemäß, dieses Konzept von Autor_innenschaft (man lasse sich den Begriff „Meisterklasse“ einmal auf der Zunge zergehen) als Norm anzusetzen.

Ebenso wenig können wir als Adressat_innenkreis ein stabiles Milieu voraussetzen, das auf homogene Weise zu beglücken wäre. Nun ist es zwar sicher richtig, dass ersatzpolitischer Moralismus (kulturell) unproduktiv ist. Die Kritik des Moralismus kennt aber mehrere Spielarten. Friedrich Nietzsche, amoralischer Lieblingsautor all jener Fürsprecher_innen kraftmeierischer Autor_innenschaft, hat das Ressentiment als rückwärtsgewandten Ausdruck einer schleichenden oder offenen Niederlage begriffen.

Wir Kunstunis bilden Studierende unter anderem vorausschauend dafür aus, in einer Welt zu arbeiten, die noch in Zukunft Bestand haben könnte. Das wird ohne ein gesteigertes Maß an sozialer Kooperation und an einer Vervielfältigung der sozialen Perspektiven nicht gehen. Unser durch Hausbesetzung erprobter Vorzeigeprofessor Daniel Richter hat sich jedenfalls niemals verdächtig gemacht, Provokation mit bürgerlicher Nostalgie zu verwechseln.

Johan F. Hartle ist Rektor der Akademie der bildenden Künste Wien.

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