Für die Sozialdemokraten ist dieses Chaos ein Super-GAU. Man hat es geschafft, eine staatstragende Partei, die entscheidend am Aufbau der Zweiten Republik beteiligt war, zu einer Lachnummer zu machen. Dass die Delegiertenstimmen verwechselt worden sind und der Burgenländer nur für zwei Tage und zwei Nächte Parteichef war, ist so unfassbar, dass es nicht reichen wird, dass sich die Parteiführung bei ihren Funktionären, Mitgliedern und Wählern entschuldigt, wie das Babler in einer ersten Reaktion getan hat. Solange die SPÖ nicht wirklich glaubhaft vermitteln kann, dass die Jahre der Pannen und Selbstbeschädigung nun vorbei sind, wird sie bis zur Nationalratswahl 2024 die Füße nicht mehr auf den Boden bringen. Wer will eine SPÖ in einer Regierung haben, wenn diese nicht einmal einen Parteitag ordentlich abwickeln kann und in einer Excel-Tabelle die Ergebniszeilen verwechselt?
So unglaublich und kurios dieses Verwechseln der Stimmen ist, es darf nicht als singuläres Ereignis, sondern muss als Tiefpunkt einer parteiinternen Entwicklung gesehen werden. Davor gab es etwa die Ablöse von Alfred Gusenbauer durch einen Brief an die Kronen Zeitung, die Pfiffe gegen Werner Faymann bei einem 1. Mai-Aufmarsch, den überstürzten Abgang von Christian Kern, die Streichorgie gegen Pamela Rendi-Wagner, das Chaos rund um die Mitgliederbefragung und die Rochade in der Wahlkommission. Immer war es ein Zwist unter Spitzenfunktionären, die alle treuherzig vorgegeben hatten, im Sinne der Basis zu handeln.
Jetzt soll es Andreas Babler richten. Wie, das kann vorerst niemand sagen. Er hat zwar mit seiner kämpferischen Parteitagsrede die Delegierten begeistert und bei sehr vielen Aufbruchsstimmung erzeugt. Die Rahmenbedingungen, die er parteiintern vorfindet, sind aber derart schlecht, dass er diese Erwartungen nur schwer erfüllen kann. Er muss auf jeden Fall seine Unterstützer am linken Flügel bedienen, ohne die Doskozil-Anhänger zu vergraulen. Dann sind da noch die Wiener, die im Konflikt mit den übrigen Landesparteien auf ihn gesetzt haben und dafür Tribut einfordern. Und das Wichtigste: Er muss Wahlen gewinnen, damit die SPÖ nicht auch bundesweit schön langsam zur Kleinpartei mutiert.
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