Entscheidungen im Hier und Jetzt

Bei der Aufteilung der Arbeits- und Familienagenden werden viele Paare auf nüchterne Fakten zurückgeworfen – der Gleichstellung hilft das nicht
Sandra Baierl

Sandra Baierl

Stellen wir uns vor: Eine Familie, zwei Kinder, er arbeitet in einem 15-Stunden-Teilzeit- Büro-Job, sie ist Vorständin einer Aktiengesellschaft. Eine Pandemie zwingt die Stadt, in der die Familie lebt, in einen Lockdown; Schulen, Kindergärten und alle Geschäfte bleiben über zwölf Wochen geschlossen.

Wie organisiert sich die Familie neu? Weil der Vater ohnehin nur in Teilzeit arbeitet und seinen Bürojob von zu Hause machen kann, bleibt er bei den Kindern, kümmert sich um Haushalt und Heim-Schule. Die Mutter führt ein Unternehmen und geht jeden Tag ins Büro.

Vor ein paar Monaten noch, wäre alles an dieser Geschichte Fantasie gewesen. Heute wissen wir, dass so ein Lockdown schnell Realität sein kann. Dass die Umorganisation des Arbeits- und Familienlebens innerhalb eines Tages erfolgen kann, weil sie erfolgen muss. Die Aufteilung der Arbeits- und Familienagenden, wie oben beschrieben, ist und bleibt jedoch unrealistisch: Nur in Ausnahmefällen ist sie die Chefin, nur in Ausnahmefällen bleibt er bei den Kindern. Das hat (relativ) wenig mit dem Geschlecht zu tun, viel mehr mit der gesellschaftlichen Realität: der oder die wirtschaftlich Stärkere bringt weiterhin das gute Geld nach Hause, der oder die wirtschaftlich Schwächere macht die Versorgungsarbeit. Das sind organisatorisch und wirtschaftlich nachvollziehbare Entscheidungen. Weil es um die gegenwärtige Situation geht, um eine gute Lösung für die Probleme hier und jetzt. Um die Familie, um die Kinder. Und weil es nicht darum geht, was mittel- und langfristig aus seiner oder ihrer Karriere wird, aus seiner oder ihrer Selbstständigkeit, aus seinen oder ihren Einkünften und späteren Pensionsbezügen. Auch wenn das individuell und gesellschaftlich wichtige Themen sind. Jede Entscheidung massive Konsequenzen für später hat. Es um Gleichstellung geht.

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