Die neuen Despoten

Die neuen Despoten
Trumpismus ist kein alleiniges US-Problem in der Infodemie

Erleben wir mehr als 200 Jahre nach dem Beginn der modernen Demokratie in diesem Jahrhundert ihr Ende? Global wächst eine neue Form der Despotie heran: eine Regierungsform, die auf Willkür, Antiliberalismus und Furcht setzt, im globalen Verbund und mithilfe digitaler Vernetzung.

Heute glauben nur wenige Europäerinnen und Europäer und noch weniger US-Amerikanerinnen und US-Amerikaner, dass die Zukunft eine bessere Version der Gegenwart ist.

Als die Referenzgestalt des alten weißen Traums vom „großartigen Amerika“ inszenierte sich Donald Trump. Der Trumpismus wird Donald Trump überleben. Seine Idee der „autokratischen Machtergreifung“ hat sich zuletzt am 6. Januar beim Marsch seiner Anhänger auf das Kapitol gezeigt und bleibt vor allem für viele konservative Christen und Christinnen attraktiv, die sich als am meisten verfolgte Gruppe in den USA wähnen.

Für die neuen Despoten und ihre wütenden und hassenden Anhängerinnen und Anhänger geht es um die Existenz ihrer Identität und Glaubenssätze. Damit arbeiten die meisten neuen Despoten: nostalgische Überhöhung, Realitätsverweigerung, Selbstbeweihräucherung. Man könnte diese Strategie auch als einen Vergangenheitsfuror bezeichnen. Dabei werden kollektive, letztlich tribale Affekte genutzt und geschürt.

Vieles spricht dafür, dass die Coronapandemie zu einem Katalysator der neuen Despoten wird. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) spricht längst von einer Gefahr, die nachhaltiger und ernster ist als die aktuelle Pandemie: die „Infodemie“. Staatlich gezielt eingesetzte Falschnachrichten bedrohen nicht nur die Gesundheit, sondern auch den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Die Seuche des Despotismus ist das gefährlichste Virus unserer Zeit. Ein Impfstoff gegen die Infodemie der Despoten sowie gegen Plattformen wie Facebook und Co. ist schwerer zu entwickeln als gegen Covid-19.

Mehr Demokratie wagen

Die Rebellion der Despoten kann nur durch eine Erneuerung der Demokratie überwunden werden. Die Waffen gegen die Despotie heißen Demokratie und Zukunft. „Mehr direkte Demokratie wagen“ statt Angst vor dem Volk und den Wählern lautet ein Ausweg aus der Misere des westlichen Demokratiemodells. Die nächste Aufklärung braucht Persönlichkeiten, die den Despoten und Verschwörungstheoretikern den Wind aus den Segeln nehmen, im Netz, auf den Straßen, in den Schulen, in den Parlamenten. Die Helden unserer Zeit sind Journalisten, Lehrer, Politiker und Bürger.

Das Schöne an Demokratie ist: Jeder und jede kann dabei ein Held oder eine Heldin werden.

Daniel Dettling leitet das von ihm gegründete deutsche Institut Zukunftspolitik. Der Text ist eine gekürzte Fassung des Beitrags im neuen „Zukunftsreport 2021“, herausgegeben von Matthias Horx.

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