Die Gratis-Testerei muss vorbei sein
Rekorde können etwas Grandioses sein, in Sport und Wirtschaft beflügeln sie bisweilen. In einer Pandemie – und ja, diese ist leider noch immer nicht überstanden – gilt das glatte Gegenteil; vor allem dann, wenn es um die Zahl der Erkrankten geht.
Unglaubliche 60.000 Neuinfizierte meldeten die Behörden am Mittwoch. Das ist seit Ausbruch der Pandemie der absolute Rekordwert, und nur um die Zahl ein wenig einzuordnen: Mittlerweile infizieren sich jeden Tag so viele Menschen mit Corona wie in mittelgroßen Städten wie Villach oder Wels leben.
Vor diesem Hintergrund mutet es zunächst einmal verrückt an, das kostenlose Testen rasch einzuschränken. Und ja, es war auch nicht gerade vertrauensbildend, das Aus für die Gratis-Tests großtönend zu verlautbaren, und die praktischen Antworten gleichzeitig schuldig zu bleiben. „Was kosten die Tests in Zukunft?“, „Wie geht es in den Schulen weiter?“ – solche Fragen muss man gleich beantworten.
Abgesehen von den gravierenden Fehlern in der Kommunikation ist das grundsätzliche Ziel aber richtig: Ja, die uneingeschränkte Gratis-Testerei muss langsam zu einem Ende kommen – und das aus mehreren Gründen.
Eines der nächstliegenden Argumente ist wohl dieses: Wenn die kostenlosen PCR-Tests einen messbar positiven Effekt auf den Verlauf der Pandemie haben, dann muss dieser der Bevölkerung auch vermittelt werden. Das ist bislang wenig bis gar nicht passiert. Hand aufs Herz: Können Sie beantworten, ob und inwiefern der selbst ernannte Test-Weltmeister Österreich besser durch die Pandemie gekommen ist als seine Nachbarn?
Auch das Argument, dass die Gratis-Testerei allerhand Unfug und damit Kosten verursacht, gilt. Ein Beispiel nur: Obwohl sich positiv Getestete frühestens nach fünf Tagen per Gratis-Test aus der Quarantäne „befreien“ dürfen, können sie auch an jedem dieser Tage aus Lust, Neugier und/oder Fadesse auf Kosten der Allgemeinheit einen PCR-Test machen. Warum eigentlich?
Das vermutlich wichtigste Argument gegen die unbegrenzte Gratis-Mentalität beim Testen ist aber: Damit wird eine andere, noch weitaus effektivere Schutzmaßnahme in den Hintergrund gedrängt, nämlich: die kostenlose Schutzimpfung.
Nichts bewahrt besser vor einem Covid-bedingten Spitalsaufenthalt als eine vollständige Schutzimpfung. Und trotz dieses unumstößlichen Faktums haben sich bislang nur 72 Prozent der impfbaren Menschen in Österreich die staatlich finanzierte Vollimmunisierung auch abgeholt. Während alle ernsthaften Experten im Herbst mit einer weiteren Infektionswelle (mit neuer Variante?) rechnen, lassen sich derzeit gerade einmal 300 Personen am Tag impfen. Das klingt auch irgendwie nach Rekord. Allerdings nach einem, der Angst macht.
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