Vor wenigen Wochen wäre so eine Diskussion noch als unrealistisch abgetan worden. Es war zwar immer klar, dass die ÖVP diesmal ihre absolute Mehrheit nicht mehr verteidigen kann. Dass sie aber gleich mehr als zehn Prozentpunkte nach unten rutschen und deswegen die Führung in der Landesregierung und damit auch im ganzen Land verlieren könnte, hatten die Wahlstrategen nicht auf ihrem Radarschirm. Vor allem hatte kaum jemand damit gerechnet, dass Udo Landbauer seine FPÖ vorbei an den Sozialdemokraten in ein Umfragehoch führen kann, das ihn nun zum ersten Herausforderer von Mikl-Leitner werden hat lassen. Jener Udo Landbauer, dem vor fünf Jahren nach der Liederbuch-Affäre rund um antisemitische Texte von einigen Kommentatoren das politische Ende vorausgesagt worden ist. Das Gegenteil ist eingetreten – im Gleichschritt mit seinem Bundesparteiobmann Herbert Kickl.
Für die ÖVP wäre es eine sehr bittere Zäsur, wenn sie im größten Bundesland von der Macht verdrängt würde. Nicht nur in Niederösterreich selbst, wo dann wohl auch Johanna Mikl-Leitners politische Zukunft auf dem Spiel stünde und sich die Landespartei insgesamt hinterfragen müsste, sondern auch im Bund. Ein Kanzler Nehammer, dem diese starke Basis wegbricht, müsste sich in der Regierung und auch in seiner Partei auf turbulente Zeiten einstellen.
Ganz besonders steht aber die SPÖ bei all diesen Koalitionsspekulationen im Blickpunkt. Sie könnte theoretisch vom schmerzhaften dritten Platz aus einen blauen Spitzenkandidaten zum Landeshauptmann machen. Dem Triumph, der ÖVP so ihr Kernland zu entreißen, stünde allerdings die ideologische Zerreißprobe gegenüber, der sich die Partei dann in St. Pölten und in der Wiener Löwelstraße aussetzen würde. Mit Landbauer jemanden zu stützen, der an den Menschenrechten herumdoktert und den Klimawandel relativiert, könnte die Sozialdemokraten in ihren Grundfesten nachhaltig erschüttern.
Umgekehrt ist es genauso riskant: Sich von der FPÖ zum Landeshauptmann wählen zu lassen, obwohl man auf keinen Wahlerfolg verweisen kann, ist für Franz Schnabl und seine SPÖ eine heikle Mission. Vor allem, weil man dann von Udo Landbauer und auch Herbert Kickl abhängig ist.
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