Der Milliardär und die Liebe zu den Grünen

Die Ökopartei entwickelt sich zur großen Hoffnung der deutschen Industrie – das war ein weiter Weg.
Helmut Brandstätter

Helmut Brandstätter

„Richtig glücklich ist ein Grüner erst, wenn er anderen etwas verbieten kann“, witzelte der kürzlich verstorbene Satiriker Wiglaf Droste. Der CSU-Politiker Alexander Dobrindt konnte es noch böser: „Die Grünen sind keine Partei, sondern der politische Arm von Krawallmachern, Steinewerfern und Brandstiftern.“ Und nun kommt ein erfolgreicher deutscher Unternehmer, der Schrauben-Milliardär Reinhold Würth, und erzählt der Bildzeitung, er hat bei der EU-Wahl die Grünen gewählt.

Was ist passiert? Reinhold Würth, 84, ist nicht der einzige Unternehmer, der Kanzlerin Angela Merkel, der früheren Umweltministerin, Versagen in der Umweltpolitik vorwirft. Dass die Deutschen bis 2038 aus schmutziger Kohle teuren Strom gewinnen wollen, hält er für eine Skandal. Würth: „Jedes Gramm, das in die Luft geht, ist eines zu viel.“ Allerdings: Der Unternehmer will die Rückkehr zur Atomenergie, womit er sich bei den Grünen nicht durchsetzen wird.

Kritik an mangelndem Netzausbau

Der Vorwurf vieler deutscher Unternehmen geht in die Richtung, dass die Regierung Merkel die Energiewende nach der Katastrophe von Fukushima im März 2011 weg vom Atom zwar schnell umgesetzt, aber nicht richtig gemanagt habe. Vor allem der mangelnde Netzausbau wird kritisiert, um etwa saubere Windenergie aus der Nordsee in den Süden zu transportieren. Der Chef der deutschen Industrie, Dieter Kempf, attackierte bei seinem Verbandstag in dieser Woche die Kanzlerin, die in der ersten Reihe saß, frontal: „ Es fällt uns schwer, einen klaren wirtschaftspolitischen Kurs zu erkennen.“

In Deutschland ist ja nicht nur von Kanzlerdämmerung die Rede, niemand würde dort auch nur eine müde Mark – wie man so sagt – auf eine längere Fortsetzung der Großen Koalition setzen. Ein fliegender Kanzlerinnenwechsel zur CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer ist nach dem Grundgesetz nicht möglich, es riecht also alles nach Wahlkampf. Und da wird nicht nur die Umwelt im Mittelpunkt stehen, sondern die Frage, wie dieses erfolgreiche Industrieland sich auf die Erfordernisse der Ökologie umstellen kann.

Bei der Elektromobilität haben die deutschen Konzerne ja geschlafen, jetzt rüsten sie flott nach. Beim Tag der deutschen Industrie war klar, dass man sich auf eine schwarz-grüne Koalition einstellt. In aktuellen Umfragen liegen die Grünen gar auf Platz 1. Angesichts der Tatsache, dass unsere Wirtschaft eng mit der deutschen verknüpft ist, sollten unsere Unternehmen sich darauf einstellen. Die Grünen sind keine Verbotspartei mehr, jetzt geht es darum, ob sie verstehen, dass nur marktwirtschaftliche Konzepte das Klima retten können.

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