Der italienische Patient

Italien rückt weit nach rechts – einheitlicher hätten die Schlagzeilen quer durch Europa nicht ausfallen können. Das Land hat sich eine Regierungstruppe gewählt, die aus der Chefin einer Partei mit postfaschistischen Wurzeln besteht, aus einem Rechtspopulisten, der Putin verehrt und Europa verachtet, sowie einem in die Jahre gekommenen Popanz, der sein politisches Leben der Vermeidung justizieller Verfolgung gewidmet hat.
Meloni, Salvini, Berlusconi – was heißt das für das Land, das der britische Economist 2021 zum Land des Jahres gekürt hat, weil es unter Mario Draghi Anstrengungen unternahm, aus Reformstau und Krise zu kommen? Meloni habe keine Regierungserfahrung und zwei nicht vertrauenswürdige Herren an ihrer Seite, die sich ums Premiersamt betrogen fühlen – „in einem Land, das 30 Ministerpräsidenten und doppelt so viele Regierungen seit 1946 hatte, ist das kein Rezept für Stabilität“, schreibt der Economist heute.
Aber ist es wirklich so schwarz-weiß, nur weil Italien rechts regiert wird? Muss Europa bangen, weil die drittgrößte Volkswirtschaft wieder unberechenbarer Patient wird?
Zunächst: Italien hat gewählt, weil das (Fast-)Allparteienbündnis des Mario Draghi nichts mehr zustande gebracht hat. Das ist nicht Schuld des viel gelobten früheren EZB-Chefs, dem die Italiener auch die Fußballnationalmannschaft anvertraut hätten, sondern von nicht vereinbarer Parteienvielfalt und politischer Eitelkeiten.
Jetzt gewann die einzige Partei, die nicht Teil der Regierung war. Gewählt von Unzufriedenen, nicht von verkappten Faschisten. Und sie hat die Chance, es besser zu machen. Giorgia Meloni hat im Wahlkampf der EU Muskeln gezeigt („Schluss mit lustig“), aber Bündnistreue signalisiert, samt Ablehnung Putins – sie braucht EU-Gelder aus dem Wiederaufbaufonds und wird vermutlich den Teufel tun, es sich mit Brüssel zu verscherzen. Auch wenn sie für Viktor Orbán Partei ergreift.
Sie wird um Reformen nicht herumkommen, auch wenn die nicht ihre oberste Priorität sind. Sie wird keine neuen Schulden wollen, auch wenn sie Geld für ihre Versprechungen braucht. Steuern will sie auch senken – das alles klingt nach Quadratur des Kreises, und den unabhängigen Wirtschaftsexperten dafür sucht sie noch.
Die Gefahr ist, dass sie mit ihren Partnern nicht zurande kommt, Salvini oder Berlusconi sie auflaufen lassen. Gute Nachricht: Deren mageres Ergebnis ist eher kein Auftrag dafür – aber für welchen Auftrag stehen 44 Prozent der Stimmen für Rechtspopulisten?
Es anders zu machen. The proof of the pudding is in the eating, heißt es auch in der Politik, auf Italien umgemünzt: Erst einmal schauen, was Giorgia Meloni an politischem Programm serviert. Als Gewissheit bleibt ja: Italien hat von Egomanen bis Gauklern in der Regierung schon vieles überlebt.

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