Das Weniger-Syndrom
Die Arbeitswelt ist wieder einmal im Umbruch. In der Produktion, Stichwort: Automatisierung, in der Administration, Stichwort: Homeoffice, in der Dienstleistung, Stichwort: Personalmangel – es bedarf neuer Planung, neuer Strukturen. Ein Trend, der zusätzlich viele Branchen und Bereiche trifft, ist das Weniger.Mitarbeiter – und es sind nicht mehr nur die Jungen – wünschen und verlangen kürzere Arbeitszeiten, idealerweise eine 3- oder 4-Tage-Woche, sie wollen mehr Abgrenzung zum Arbeitgeber, lieber Distanz.
Diese neue Einstellung zum Arbeiten mag ihre Gründe haben, was aber bedeutet sie für die künftige Produktivität im Land, für Entwicklung und Innovation, wenn ganze Generationen nicht mehr gern und voll, sondern nur noch halbherzig, nicht mehr mit Hingabe, sondern nur noch mit einem Minimum an Interesse arbeiten? Wie soll der Wohlstand, der auf einem Generationenvertrag aufgebaut ist, erhalten bleiben? Unsere Eltern und Großeltern haben entbehrungsreich und selbstlos gearbeitet, damit die Generationen X, Y und Z sorgenfrei in einem der reichsten Länder der Welt aufwachsen.
Das Weniger-Syndrom trifft die Wirtschaft zur Unzeit: wenn die wichtigsten Indikatoren nach unten zeigen, die Inflation wütet, Rezession droht, dann ist die neue gesellschaftliche Gemütlichkeit ein Luxusanspruch, den man sich nicht leisten kann. Der Sozialstaat, auf den wir stolz sind, wird geschwächt, wenn er nicht durch die hohen Leistungen vieler und die daraus resultierenden Steuern gespeist wird. Dem Staat werden Einnahmen fehlen, um Transferleistungen bei Bildung, Gesundheit, Pension und Klimawandel zu leisten. Es muss klar sein: weniger bedeutet letztlich weniger für alle. Und der Staat wird nicht mehr einspringen können. Aber vielleicht ja noch einmal die Eltern.
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