Entschleunigung mit Beinbruch

Und da erkenne ich: Die Lebenspause zeigt mir das eigentliche Leben, in dem es darum geht, besser auf mich zu schauen.
über ihren Beinbruch
Von einem Tag auf den anderen kann ich plötzlich nicht mehr alles alleine machen – vom Haushaltseinkauf bis zum Müllruntertragen, ich kann mir nicht einmal mehr selbst ein Glas Wasser holen. Mein hyperaktives Multitasking-Leben hat eine abrupte Zwangspause verordnet bekommen. Die Knieschmerzen, die ich wochenlang übergangen habe, haben sich als Belastungsbruch herausgestellt.

Mein morgendliches Lauftraining ist meinem Schienbeinkopf nicht gut bekommen – das nächste Monat darf ich mich nur noch auf Krücken fortbewegen. Da kann ich noch so gut trainiert sein, meine Arme und Handgelenke finden das gar nicht lustig. Der Frust über die verordnete Lebenspause ist oft so groß, dass ich morgens stundenlang gar nicht aufstehen will. Doch es gibt auch viel Positives, das ich derzeit lerne und erfahre...
Allem voran die große Hilfsbereitschaft, vom Getränkeholen über das Türaufhalten bis zum Tragen meines Essenstabletts. (Die hupenden Autofahrer, wenn man länger zum Aussteigen braucht, lasse ich außer Acht.) Ich kann vielleicht nicht mehr so viel gleichzeitig erledigen und überall vor Ort sein – schnell das hier, schnell das dort geht einfach nicht mehr. Jetzt passieren die Dinge langsam, behutsam und mit mehr Bedacht. Nur, wenn ich meine übermotivierte Seele entschleunige, kann sich auch mein Bein wieder erholen. Und da erkenne ich: Die Lebenspause zeigt mir das eigentliche Leben, in dem es darum geht, besser auf mich zu schauen.
Doch ein Gedanke macht mich immer wieder traurig – wie machen das all die Menschen, die permanent auf Krücken angewiesen sind? Die keine Familie, Freunde und Kollegen haben, die für sie einkaufen gehen, ihren Mist runtertragen und ihre Wäsche bügeln? Entschleunigung lehrt Demut – vor dem eigenen Leben und davor, wie es andere bewältigen.
Fazit: So mühsam und frustrierend ein Beinbruch mit all seinen alltäglichen Hürden sein kann – er lehrt auch Achtsamkeit mit dem eigenen Körper, Dankbarkeit für das, was man hat und Bewunderung für alle, die mit diesem Schicksal Tag ein Tag aus zurechtkommen müssen.
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