Baku: Sightseeing mit schlechtem Gewissen

Noch ein paar Zeilen zum ersten Eindruck, bevor er verblasst: Wenn man, wie es wahrscheinlich die meisten Song Contest-Touristen tun, vom Flughafen direkt in Zentrum fährt (und sonst nicht viel mitkriegt) ist es schwer, nicht beeindruckt zu sein. Von der sandfarbenen, pariserisch anmutenden Innenstadt, den vielen freundlichen Menschen, die auf der Strandpromenade flanieren, der schwül-feuchten Luft, den blitzenden Hochhäusern... man hat sich offenbar große Mühe gegeben, einen guten Eindruck zu machen, und, chapeau, das ist gelungen.
Wenn man mit Leuten redet, die schon ein paar Tage hier sind, hört man immer dasselbe: Ja, wir wissen, dass es in Aserbaidschan Probleme gibt, aber wir kriegen davon nicht viel mit. Die Song-Contest-Delegationen werden in (von Polizeiautos flankierte) Shuttlebussen zwischen Hotel, Konzerthalle, Hotel, Partys und Hotel hin und hergefahren. Es bleibt auch kaum Zeit, um die vorgesehenen Pfade zu verlassen.
"Man hat das Gefühl, es stimmt alles nicht ganz", sagt ein Österreicher. Man höre viel: Dass die offiziellen Shuttlebusse entlang vorgegebener, (optisch) vorteilhafter Routen fahren müssen. Dass die Innenstadt für normalen Verkehr gesperrt wird. Dass die vielgepriesene Freundlichkeit der Einheimischen nicht ganz so freiwillig ist, wie es den Anschein macht. Aber nichts Genaues weiß man nicht. Bei denen, die sich vorgenommen haben, als kritische Beobachter nach Aserbaidschan zu kommen, herrscht ein gewisses Unbehagen: "Ich habe fast ein schlechtes Gewissen, dass ich nichts bemerke," sagt einer von ihnen.
Ein paar Dinge sind trotzdem offensichtlich. Der Fahnenmast zum Beispiel, der im Hafen von Baku gen Himmel ragt - angeblich der höchste der Welt. Er ist schwindelerregende 162 Meter hoch, die Flagge misst 35 x 70 Meter. Man steht mit offenem Mund da, wenn man ihn zum ersten Mal sieht. Man überprüft die Relationen. Ja, da unten steht ein normal großes Haus. Ja, die Fahne ist wirklich so riesig! Weit, weit oben wiegt sich der blau-rot-grüne Stoff majestätisch im Wind... das sagt auch schon was aus.
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