Brille, Zahnspange, rote Haare, Kopftuch...

Karikatur von Kiku-Heinz
Gedanken zu einem Gespräch mit zwei Jugendlichen rund um die Kopftuch-Debatte
Heinz Wagner

Heinz Wagner

Zwei Mädchen, beide 12 Jahre, beide in Wien geboren und hier aufgewachsen. Hagar und Yomna besuchen die 2. Klasse im Brigittenauer Gymnasium (Wien). Der Kinder-KURIER trifft sie – mit ihren Schulkolleg_innen bei einer Gesprächsrunde von Zeitung in der Schule im KinderLiteraturHaus. Die eigene Zeitung hatte an diesem Tag die Schlagzeile „Kopftuchverbot – Warum nicht gleich für alle Schülerinnen?“ Auf der Doppelseite im Inneren kamen dazu einige Fachleute zu Wort, in der Einleitung stand „Und was sagen Betroffene?“ Unter den Betroffenen allerdings keine Frau, kein Mädchen, das selber Kopftuch trägt. Das irritierte.

Weil die Klasse nach dem Gespräch schnell wieder in die Schule muss und außerdem Kinder für ein Interview die Erlaubnis ihrer Eltern brauchen, trifft der KiKu die beiden genannten Mädchen einige Tage später vor ihrer Schule im 20. Wiener Gemeindebezirk. Aufs erste fällt eines auf: Das Mädchen links trägt – Brille.

Ach, auf das hätten Sie gar nicht geachtet. Stimmt, wenn seit Jahren über ein Stück Stoff das haare verdeckt, diskutiert wird, fällt der Unterschied Brille oder nicht den meisten gar nicht auf. Dabei hatten’s vor ein paar Jahrzehnten Kinder mit Brillen nicht gerade licht. Sie wurden verspottet. Später traf’s Kinder mit Zahnspange. Noch früher hatten’s Menschen mit roten Haaren nicht leicht. Der berühmte österreichische Theaterdichter Johann Nestroy hat vor fast 180 Jahren dazu sogar ein ironisches Stück geschrieben, „Der Talisman“. Salome Pockerl und die Hauptfigur Titus Feuerfuchs werden wegen ihrer roten Haare von allen andere Figuren im Stück schlecht behandelt, salopp formuliert ließe sich sagen, verar...t. Ein Friseur, dem Titus hilft, schenkt ihm eine schwarze Perücke – und alle sind fortan nett zu ihm...

Heute muss kaum wer mit roten Haaren, einer Brille oder einer Zahnspange Spott erdulden, ist zu hoffen, dass dies auch einmal für andere Kennzeichen gilt ;)

Übrigens: „Weil es jetzt kalt wird, dürfen ab morgen Mädchen auch in Hosen kommen!“ Das war eine Lautsprecherdurchsage des damaligen Direktors desselben Gymnasiums, das die beiden Mädchen jetzt besuchen. Ich war damals (1966) elf und in der ersten Klasse dieser Schule. Und mehr als verwundert, eher verwirrt – „warum denn auch nicht?!“, dachte ich, jede und jeder könne doch anziehen, was er/sie wolle.

Bis dahin war mir gar nicht aufgefallen, dass kein Mädchen Hosen trug. Im Jahr darauf wurde „großzügig“ auch Mädchen in der warmen Jahreszeit erlaubt, Hosen zu tragen, allerdings setzte der Direktor eine Schülervertreterin ein, Mädchen, mit stark gemusterten Hosenanzügen nach Hause zu schicken.

50 Jahre später soll’s wieder Kleidungsvorschriften geben - die einen wollen Töchtern oder Schwestern ein Stück Stoff vorschreiben, andere es ihnen verbieten?

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