Autorität ist unvermeidlich – Autoritäres Verhalten aber gefährlich

Autorität ist unvermeidlich – Autoritäres Verhalten aber gefährlich
Vorsicht vor dem starken Mann: Es zählt zu den demokratischen Tugenden, gegenüber jeder Autorität skeptisch zu sein

In jeder historisch und aktuell bekannten Form gesellschaftlicher Organisation gibt es Autorität. Menschliches Zusammenleben braucht Strukturen, braucht Arbeitsteilung. Und das wiederum braucht Ordnung. Diese aber äußert sich darin, dass Personen und (oder) Institutionen diese Ordnung kontrollieren. Autorität kann als legitim, als berechtigt, in diesem Sinn als „gut“ erscheinen – wie die Autorität eines demokratisch gewählten Parlaments.

Autorität kann aber ebenso als unberechtigt und als „schlecht“ beurteilt werden – wie die Autorität eines Diktators. Jede Autorität kann durch eine andere ersetzt werden.

Aber eines kann Autorität offenbar nicht – sie kann nicht, ohne einer anderen Platz zu machen, einfach verschwinden: Die Summe aller Erfahrungen lehrt, dass es keine Gesellschaft ohne Autorität geben kann. Eine demokratische Ordnung verregelt und kontrolliert Autorität – etwa durch die Möglichkeit, diejenigen abwählen zu können, die politisch im engeren Sinn Autorität besitzen; aber auch durch die Möglichkeit, Autorität zu begrenzen, die außerhalb der Politik im engeren Sinn besteht – etwa die Autorität, die in einem Familienverband existiert, oder auch die Autorität im Bereich von Wirtschaft und Kultur.

Verregelung und Kontrolle sind die Aufgaben eines demokratischen Verfassungs- und Rechtsstaates. Es zählt zu den demokratischen Tugenden, gegenüber jeder Autorität skeptisch zu sein, auch wenn sie mit einem persönlichen „Charisma“ einher kommt.

Autoritäten kommen und gehen, und keine politische Ordnung war (und ist) davon gefeit, einer anderen Platz machen zu müssen. Autoritäres Verhalten ist die Folge eines Unbehagens mit dieser Skepsis.

Autoritäres Verhalten gibt es in allen gesellschaftlichen Ordnungen „unten“ und „oben“: „Unten“ drückt sich dieses Verhalten in der Sehnsucht nach dem „starken Mann“ aus, der aus der komplexen Vielfalt und Gegenläufigkeit von Interessen und Ideen eine einfache Lösung zu bringen verspricht. In diese Sehnsucht eingeschlossen ist die Bereitschaft, den Verlust von Vielfalt zu akzeptieren – das läuft auf Einfalt hinaus.

„Oben“ besteht autoritäres Verhalten bei denen, die eine einfache Lösung versprechen – auch um den Preis von Vielfalt, von politischen und persönlichen Freiheiten. Autoritäres Verhalten „oben“ weist in Richtung einer Diktatur – sei es die „Diktatur des Proletariats“ des Marxismus-Leninismus, sei des die Einparteienherrschaft des Faschismus und Nationalsozialismus, sei es eine Militärjunta.

„Autoritär“ muss (noch?) nicht „totalitär“ sein. Aber die Vorliebe für „starke Männer“ weist in die Richtung, die bei dem enden kann, was wir im 20. Jahrhundert erfahren haben: die totale Herrschaft à la Hitler und Stalin und Mao. Wenn autoritäres Denken und Verhalten überhand nehmen, wird sich ein Hitler oder Stalin oder Mao finden. Daher ist in einer Demokratie immer Wachsamkeit angesagt: gegenüber den Prophezeiungen, die einfache Lösungen versprechen.

Die demokratische Grundtugend der Skepsis bedeutet vor allem auch Misstrauen gegenüber Versprechungen, die – etwa in Form von Utopien – Perfektion anbieten.

Anton Pelinka ist Universitätsprofessor und einer der führenden Politologen  des Landes.

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