Beinahe 100 Jahre (!), nachdem die Amtsverschwiegenheit in der Verfassung zementiert wurde, wird diese nun mit den Stimmen von ÖVP, SPÖ und Grünen abgeschafft. Was in Dutzenden westlichen Demokratien seit Jahrzehnten als selbstverständlich gilt, dass nämlich Bürger über nahezu alles Bescheid wissen dürfen, was ihre Verwaltung macht und wofür sie deren Steuergeld ausgibt, wird jetzt in Österreich Realität. Korruptionsexperten und Juristen sprechen von einem „neuen Grundrecht“, das damit entsteht: Es ist das Recht auf den Zugang zu staatlichen Dokumenten.
Ist das neue Gesetz perfekt oder in der Nähe davon? Nein, das kann man so wohl nicht behaupten.
Jahrzehnte wurde diskutiert, das Amtsgeheimnis loszuwerden, seit gut zehn Jahren haben es Regierungen ein ums andere Mal in ihr Koalitionsprogramm aufgenommen.
Dass man auf politisch überfällige Vorhaben derart lange warten muss, ist bitter; dass das Gesetz überhaupt erst im September 2025 gelten wird, ist seltsam; und dass Gemeinden, Länder oder Ministerien so gar keine Sanktionen zu befürchten haben, wenn sie – salopp formuliert – einfach darauf pfeifen, wichtige Dokumente zu veröffentlichen, gehört zu den unleugbaren Schwächen des neuen Reglements.
Doch all die Mankos ändern nichts an der Tatsache, dass die Informationsfreiheit die Machtverhältnisse zurechtrückt.
Bei wichtigen Informationen sind Bürger nicht länger Bittsteller. Sobald das neue Gesetz gilt, müssen Mitarbeiter des Staatsapparates schlüssig erklären, warum sie sich ausschweigen.
Im Streitfall bleibt den Beteiligten der Weg zu den Gerichten. Und das führt am Ende hoffentlich dazu, dass Wähler und Beamte in der näheren Zukunft ziemlich gut einschätzen können, welche amtlichen Unterlagen derart sensibel sind, dass man sie nicht veröffentlichen darf.
Der Großteil der Dokumente wird fortan einsehbar. Wie viel Fördergeld bekommt ein Verein von meiner Gemeinde? Welche Gutachten wurden mit meinem Steuergeld bezahlt, welche Verträge abgeschlossen? Mündige Bürger wollten das – und vieles mehr! – seit Jahren wissen. Jetzt dürfen sie es, hoch offiziell. Das ist, trotz aller Abstriche, historisch.
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