Angeknackste Allmacht der Wiener SPÖ

PG "WIEN ERNERGIE": LUDWIG/HANKE
Die Causa Wien Energie rüttelt auch an den Grundfesten der politischen Erzählung, an der die SPÖ in Wien seit jeher feilt.
Christoph Schwarz

Christoph Schwarz

Bis sich die letzten Nebel rund um die Wien-Energie-Affäre gelichtet haben und etwaige (straf-)rechtliche Verfehlungen ans Licht gekommen sind, wird noch Zeit vergehen. Die Verantwortlichen müssen sich vor einer Untersuchungskommission, auf die sich ÖVP und FPÖ in Wien verständigt haben, rechtfertigen. Auch auf den Besuch des Rechnungshofs kann man sich einstellen. Gut so.

Der politische Schaden ist hingegen bereits angerichtet. Das Image von Bürgermeister Michael Ludwig, jenes von Stadtrat Peter Hanke – der politisch Hauptverantwortliche – und das der gesamten Wiener SPÖ ist angeknackst. Einer Partei, deren Machtanspruch sich über die Jahrzehnte zur Allmachtsfantasie wandelte, tut das besonders weh. Wenn die gut geölte Maschinerie plötzlich ins Stottern gerät, ist die Nervosität groß. Der Schaden, der der SPÖ aus der Causa Wien Energie erwächst, ist ein mehrfacher. Und er rüttelt an Grundfesten jener politischen Erzählung, an der die Roten in Wien seit jeher feilen.

Erstens: Michael Ludwig ist den Ruf als vielbeklatschter Krisenmanager vorerst los. In der Corona-Pandemie punktete er mit der ihm eigenen Vorsicht. (Das mutmaßliche Hasardspiel der Wien Energie ist das Gegenteil davon.) In der Energiekrise, die eher tatkräftiges Zupacken als abwartendes Abwägen belohnt, droht Ludwig an Glanz zu verlieren. Dass er von Sonntag bis Dienstag in einer quälend langen Schrecksekunde verharrte, bevor er sich in der Causa Wien Energie an die Öffentlichkeit wagte, ist ein Zeichen der Verunsicherung. Dass er die finanzielle Schieflage als bloßen Spin der ÖVP abtut, ist ungewohnt wehleidig.

Zweitens: Das Bild von der krisenfesten Wiener Daseinsvorsorge bröckelt. Seit jeher tingelt die Wiener SPÖ durch aller Herren Länder, um ihr Modell der städtisch – also rein öffentlich – orchestrierten Rundumversorgung aller Wienerinnen und Wiener zu bewerben. Seit selbige angesichts des Hilferufs ihres Energieversorgers kurzzeitig um ihren Strom fürchteten, ist klar: Auch die öffentliche Hand ist vor Turbulenzen nicht gefeit. Dass die SPÖ jetzt versucht, alle Schuld auf die Wien-Energie-Führung abzuschieben, ist politische Kindesweglegung.

Drittens: Die Koalition mit den Neos ist angeknackst. Rot-Pink in Wien galt als Erfindung Ludwigs und Modellversuch für eine Zusammenarbeit im Bund. Die verworrene Kommunikation der SPÖ stellt die selbst ernannte pinke Transparenzpartei nun auf eine harte Probe.

All das hat nicht zuletzt Auswirkungen auf die SPÖ-interne Machtposition der Wiener Landespartei. Ludwigs Status als graue Eminenz ist nicht mehr unumstritten, Hankes Wechsel in den Bund bleibt wohl Vision. Bleibt Zeit, die Wunden zu lecken – und eine längst überfällige Innenschau zu betreiben. Ihren Polit-Stil sollte die Wiener SPÖ jedenfalls überdenken. Ihre Geschäftspraktiken vielleicht auch.

Angeknackste Allmacht der Wiener SPÖ

Christoph Schwarz, Ressortleiter Chronik

Kommentare