Abgesang auf Angela Merkel

In Berlin glauben nur wenige, dass die Kanzlerin den Sommer überstehen wird. Beschädigt ist sie allemal.
Helmut Brandstätter

Helmut Brandstätter

Wenn man im Rückblick ergründen will, was das Genie der Angela Merkel ausmacht, wie sie seit 2005 das Kanzleramt und nebenbei die Europäische Union führte, dann gibt es eine Erkenntnis: Die Physikerin hat stets die Gefühlswelt in Deutschland verstanden, darauf aber nicht emotional, sondern rational reagiert. Selbst ihr „Wir schaffen das“ hat sie so gemeint, dass sie alle Voraussetzungen für die Aufnahme und Integration von Flüchtlingen eben schaffen will.

Merkel hat übersehen, dass viele Deutsche – so wie auch Österreicher und andere Europäer – keine sachlichen Erklärungen mehr hören wollen, juristische noch weniger. Die Frage, wann wer wo zurückgewiesen werden kann, ist im Alltag der Bevölkerung ebenso weit weg wie die Planung von Flüchtlingslagern in oder außerhalb Europas. Viele sind überfordert, und auf diesen Gefühlszustand setzen sich die Populisten drauf und verkünden einfache Lösungen. Die werden unreflektiert geglaubt, nicht Merkels differenzierte Argumente.

Die CSU wiederum hat übersehen, dass sie noch so heftig bajuwarisch poltern kann, die AfD kommt sicher noch radikaler daher. In Umfragen kommt die CSU nicht über 40 Prozent hinaus, die absolute Mehrheit ist verloren, eine Katastrophe für den neuen Ministerpräsidenten Söder, der sich als junger Franz Josef Strauß sieht.

Aber gerade der hochintelligente Strauß wusste, dass beim Raufen im Schlamm alle schmutzig werden, und ließ da oft anderen den Vortritt. Es kann gut sein, dass Merkel den Sommer politisch nicht übersteht, CSU-Chef und Innenminister Seehofer auch nicht, und Söder die Wahlen verliert. Dann stehen Deutschland und die Union ohne Führung da, Europa leider auch.

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