Gischt in Sicht: Wasserfall-Wandern in Niederösterreich
Es rauscht, es spritzt, zeitweise ist es ohrenbetäubend. Wasser in Massen, in seiner ganzen Urkraft, auch mit leicht infernalischen Anklängen. Hier zeigt die Natur, was sie kann. Man ist beeindruckt. Um sich gleich darauf zu wundern, wenn Touristen mit Badeschlapfen entgegenkommen. Leute, wir sind hier in der Wildnis! Es mag wohl sein, dass es Niederösterreichs Wasserfälle nicht ganz mit den westlichen Giganten wie den Krimmler Wasserfällen in Salzburg oder dem Tiroler Stuibenfall aufnehmen können, ein urtümlich-schönes Schauspiel sind aber auch sie.
Gutes Schuhwerk versteht sich da wohl von selbst. Ja, auch im Osten Österreichs gibt es traumhaft schöne Wasserfälle von ungezähmter, archaischer Kraft. Bei den Myrafällen stürzen zu Spitzenzeiten täglich bis zu fünf Millionen Liter Wasser über 70 Meter den Fels hinunter. Dabei ist die Wander- und Wasserwelt, die sich hier bei Muggendorf im Bezirk Wiener Neustadt-Land auftut, von besonderer Mystik. Alles wirkt hier so verwunschen: die mächtigen, bemoosten Steine, die knorrigen Bäume, die prachtvollen Farne, in denen zweifellos die Wassergeister wohnen. Diese Wunderwelt wurde erstmals in einem Reisebericht 1802 erwähnt. Aber erst 1885 wurde sie durch den Österreichischen Touristenklub begehbar gemacht. Seither wurden und werden die Weganlagen stetig erneuert, und so folgt man heute dem „rauschenden Bach“ über 26 Brücken, zahlreiche Stege und Stiegen hinweg, vorbei an elf Themenstationen – ständig das Murmeln, Gurgeln, Tosen des Wassers im Ohr und die mikrofeine Gischt im Gesicht. Dabei beginnt alles ganz harmlos.
Es ist das kleine Flüsschen Myra, das sich anfangs seinen Weg durch das Gestein bahnt, um dann in der engen Gesteinsschlucht zu dem schönen Naturschauspiel zu werden. Ihren Ursprung hat die Myra in der Myralucke, einer sagenumwobenen Höhle am Unterberg. Dort tritt der Fluss aus dem Berg heraus und erreicht nach etwa acht Kilometern das Staubecken beim Karnerwirt.
Ab dann wird es wild und der Myrabach zum tosenden Gewässer, das in 14 Gefällestufen durch die Talschlucht zwischen Hausstein und Hirschwänden hinabstürzt. Nachdem das Wasser etwa 520 Meter zurückgelegt hat, erreicht es das untere Staubecken beim Gasthaus „Myra Stubn“. Da ist dann alles wieder sanft und friedlich. Ein schöner Schlusspunkt dieser Wasserfallwanderung. Das idyllisch gelegene Gasthaus wird von Familie Klauser geführt und zeichnet sich durch eine hervorragende regional-saisonale Küche aus, vor allem die frischen Forellengerichte sind viel gepriesen.
Vielfalt
Ein Wasserfall-Dorado ist auch das Mostviertel, das von Süd nach Nord, von den Alpen zur Donau von Bergflüssen und -bächen durchzogen ist. Weite Täler haben sie in die hügeligen Voralpen gegraben, wo sie gemächlich Richtung Donau ziehen. „In den Bergen hingegen sind sie noch jugendlich wild, haben enge Schluchten ins Gestein genagt und stürzen in wilden Kaskaden den Fels hinunter“, beschreibt es geradezu literarisch die Mostviertel-Tourismusseite.
Dort werden auch etliche Wanderungen durch die – an spektakulären Wasserfällen reichen – Ötschergräben empfohlen. Einer der schönsten ist der Lassingfall, den man in der Biedermeierzeit mit einer Klause künstlich aufgestaut hat, um noch mehr Wasser die Felsen hinunterschicken zu können. Das schaulustige, zahlende Publikum hatte eben schon damals Freude am donnernden Wassersturz. Heute ist der Lassingfall wieder frei in seinem Fall und somit einmal mehr ein Naturspektakel. Oder ist es doch mehr der Mira-, Schleier- oder Trefflingfall?
Letzterer stürzt unweit der Ötschergräben über 120 Meter hinunter und hinein in die Erlauf. Dank einem der schönsten Wasserfallsteige Österreichs ist man als Wanderer hier wirklich hautnah dran. Einen Besuch des Trefflingfalls kann man auch wunderbar mit einer Wandertour auf das Hochbärneck verbinden.
Wer nicht genug von Wasserfällen bekommen kann, hat in der Gegend noch weitere berauschende Möglichkeiten. Die Kogler Wasserfälle muss man gesehen haben, auch die Wasserfälle am Muckenkogel in Lilienfeld sind eine Tour wert. Der Kendler Wasserfall in St. Georgen an der Leys und den erwähnten Schleierfall in Hohenberg bieten sich ebenfalls für erfrischende Tagesausflüge an. Wer einmal Gefallen am Wasserfall-Wandern gefunden hat, sucht die rauschende Gischt immer wieder. Das ist der Zauber der Wassergeister.
- Der Trefflingfall ist mit 120 Metern Fallhöhe der höchste Wasserfall Niederösterreichs. Entlang des Naturschauspiels hat der Scheibbser Gebirgs- verein bereits 1897 einen Steig errichtet, auf dem man den Wasserfall hautnah erleben kann.
- Auch das Waldviertel hat tolle Wasserfälle zu bieten, einer davon ist der Lohnbachfall, der sich in vielen Varianten zeigt: als sanft vor sich hin plätschernder Bach, als unterirdischer Fall und als herabstürzendes Wasser im freien Fall über viele kleine Kaskaden. Er ist ein Naturdenkmal und Teil des Europaschutzgebietes "Waldviertler Teich-, Moor- und Heidelandschaft".
- Buchtipp: In "Rundumadum. Wasserfälle in Niederösterreich" (Kral Verlag, ca. 20 €) präsentiert der Naturvermittler Markus Dürnberger die Vielfalt an Wasserfällen in Niederösterreich.
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