Der Miglotag: Gelebtes Brauchtum und gelebtes Miteinander im Salzkammergut
Waren Sie schon einmal in Bad Mitterndorf? Wenn nicht, dann ist der 5. Dezember das perfekte Datum, um den Ort im Salzkammergut zu besuchen. Denn an dem sogenannten „Miglotag“ findet dort ein Schauspiel statt, das ein Paradebeispiel für gelebtes Brauchtum ist. Vor allem auch deshalb, weil man die Figuren und Masken der Nikolospielgruppe im Nikolomuseum Tauplitz begutachten können.
Eindrucksvoller als eine Jedermann-Aufführung
Seit 150 Jahren ereignet sich am Abend des 5. Dezembers in Bad Mitterndorf ein Schauspiel, bei dem sogar eine Jedermann-Inszenierung blass aussieht. 80 bis 100 Personen zeigen hier jedes Jahr eindrucksvoll, was gelebtes Miteinander bedeutet: Das Schauspiel dreht sich um das Leben eines armen Mannes, den der Teufel auf die Bühne holt und wird insgesamt fünf Mal dargeboten.
Das begeisterte Publikum zieht dennoch durch die nächtlichen Straßen von Station zu Station, um dem Schauspiel beizuwohnen. Seinen Anfang nimmt dieses stets im Ortsteil Krungl im Hintertal, das Ende wird am Hauptplatz von Bad Mitterndorf aufgeführt.
Immaterielles Kulturerbe
Die Vorläufer des Schauspiels gehen ins 16. Jahrhundert zurück, seit 150 Jahren wird dieses am Miglotag aufgeführt. Mittlerweile hat diese gelebte Tradition so viel Zuspruch erhalten, dass sie 2020 von der UNESCO als immaterielles Kulturgut eingestuft wurde.
Rhythmisches Schnalzen
Angeführt wird der Schauspiel-Zug von den großen „Schab“. Unter „Schab“ versteht man Strohmänner, die mit ihren Besen schnalzen. Ihre Kostüme wiegen mehr als 25 Kilogramm– hier kann man nur hoffen, dass es am 5. Dezember nicht regnet und die Kostüme noch schwerer werden.
Da die getragenen Gewänder oft über 100 Jahre alt sind, gilt es als absolute Auszeichnung, bei der Aufführung als Schauspieler dabei zu sein.
Rollen des Schauspiels
Die Einleitung des Schauspiels übernehmen die Quartiermacher, Nachtwächter und Schimmelreiter, deren Hauptaufgabe es ist, für Ruhe zu sorgen. Denn danach betreten ein Pfarrer und Bischof Nikolo die Bühne. Letzterer prüft die Kinder Prüfungsfragen ab, sofern sie diese korrekt beantworten, bekommen sie Süßigkeiten.
Weiter geht es mit dem Bettler, der seine Schandtaten beichten muss, diese jedoch nicht bereut geschweige denn etwas ändern möchte. Ein gekonnter Sensenschlag des Todes ist die Folge, dann wird der Leichnam von zwei dunklen Gestalten aus dem Blickfeld getragen.
Der Eheteufel berichtet hingegen als nächste auftretende Figur mit stolzer Brust, dass er Ehen zerüttet und Eifersucht gesät hat. Schließlich muss Luzifer selbst das Wort ergreifen und sichert sich mit seiner Negativpredikt die Seelen. Als Unterstützung ruft er Krampusse herbei – das Chaos ist vorprogrammiert. Was mit einem rhythmischen Schnalzen begann, geht in ein Toben über, bis die Nikolojäger kommen und alle bezwingen. Der Nachtwächter bläst zum Abgang, die dunklen Mächte haben ihre Macht auf der Bühne verloren. Noch einmal wird das Publikum aufgescheucht, dann schnalzen die Schab auch schon ein letztes Mal und beenden das Schauspiel.
Das Nikolomuseum Tauplitz
Im Nikolomuseum Tauplitz können Sie sich das ganze Jahr lang auf den Miglotag freuen. Gegen Voranmeldung kann hier nämlich ganzjährig die Masken und Figuren der Nikolospielgruppe begutachten. Zu besichtigen gibt es 90 Holzmasken, die in liebevoller Handarbeit von einheimischen Schnitzern angefertigt wurden. Weiters können lebensgroße Figuren bestaunt werden. Die Führung durch die Räumlichkeiten übernimmt Spielleiter Roman Gruber, der mit Wissen über die gelebte Miglo-Tradition gerne zur Seite steht.
Das Museum kann von Sonntag bis Donnerstag gegen Voranmeldung besichtigt werden.
Nikolomuseum Tauplitz
Klachau 22
8982 Bad Mitterndorf
Das Museum kann von Sonntag bis Donnerstag gegen Voranmeldung besichtigt werden.
Telefon: +43 3688 21 - 10
E-Mai: lgasthof@thomahof.at
Wer mehr über den Miglotag oder allgemein über gelebtes Brauchtum im winterlichen Salzkammergut erfahren möchte – dem legen wir das Buch „Winterzauber im Salzkammergut“ von Ilse Retzek ans Herz. In dem neu im Styria-Verlag erschienenen Buch stellt die Autorin ihr Heimatregion auf sehr authentische Weise vor: Seien es Schneeschuhwanderungen, Kulturerlebnisse oder eben auch Traditionen wie den Miglotag im Salzkammergut.
Der Miglotag ist das beste Beispiel für gelebtes Brauchtum.
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