Zwischen Trauben und Lauben: Tipps für ein Herbstwochenende in Bozen

Schloss Sigmundskron in Südtirol
Bozen: Törggelen-Genuss mit Wein, Speck und Maroni in der bezaubernden Alpenstadt in Südtirol. Ein Herbst zwischen Weingärten und schicker Architektur.

"Bisch pronto?“, sagen die Südtiroler, „bist’ bereit?“ Für den Urlaub  inmitten des UNESCO-Weltnaturerbes, bereit, die Stadt mit den zwei Seelen kennenzulernen? Deren Bewohner  Italienisch, Deutsch und eine Minderheit sogar Ladinisch sprechen? Bozens Charakter zeigt sich vom mittelalterlichen Stadtkern bis zu modernen Architektur-Highlights. Vom Heimatmuseum bis zu internationalen Kunstgalerien. Vom alpinen Lifestyle bis zum Dolce Vita. Aber zu allererst sieht man die Berge. Die Dolomiten, die in leuchtendem Grau-Weiß die Stadt umschließen, flankiert von grünen Wein- und Apfelgärten. Dann   hört man die Einheimischen, wenn sie in breitem Tirolerisch sagen „die Italiener“, und dabei ihre Landsleute meinen. Oder einem ein fröhliches „Hoi“ zurufen, was so viel bedeutet wie „Servus“. Allein das ist typisch für die Stadt, in der 107.000 Menschen leben. Zusätzlich zu 300 Sonnentagen im Jahr, punktet „Bolzano“ mit Zweisprachigkeit, Diversität und einem Lifestyle zwischen dörflichen Weingärten und schicken Rooftopbars.

Zwischen Trauben und Lauben: Tipps für ein Herbstwochenende in Bozen

Unterwegs in der Innenstadt von Bozen

Jetzt im Herbst zeigt sich Bozen von seiner vielfältigsten Seite. Die Sonne strahlt noch sommerlich, egal ob beim Apéro in einem der Schanigärten mitten in der Altstadt oder bei einer Wanderung zum klassischen Törggelen Richtung Oberbozen und Ritten. Aber davon später. Denn eigentlich treffen die Bozner sich am Samstagvormittag zu einem gemütlichen „Sprizz und Tratsch“ am Waltherplatz im Stadtcafé oder bei Walthers. Zu Mittag ist dann das alte Traditionsgasthaus Vögele angesagt. Alte Stuben, regionale Küche, hier speisen alle von Rang und Namen, öfters auch die Möchtegern-Promis. Natürlich zieht dieses Ambiente heimische Künstler an, die hier ihren Weißen trinken. Zuvor peilen sie gerne den davor liegenden Walter&Michi’s Würstelstand an, um sich mit einer „Meraner“ zu stärken.

Dolce Vita & Weißen trinken

Um den Obstmarkt kommt niemand herum. Hier ist die zentrale Drehscheibe der Innenstadt, hier werden Fotos von den Obst- und Blumenständen gemacht oder Selfies vor dem Neptunbrunnen und den mittelalterlichen Laubenhäusern geschossen. In den Laubengängen haben sich schicke  Geschäfte  angesiedelt, wie etwa das Thaler. Ein Tipp für alle, denn das Thaler entpuppt sich nicht nur  als Reich der Düfte. Oben im ersten Stock ist eine Bar angesiedelt, top gestylt mit Blumen und gut bestückt mit den besten „Bollicine“ aus aller Welt, City-Treff des Jetsets zum Lunchbreak. Rund um den „Piazza Erbe“ und die Goethestraße gibt es neben dem Traditionswirtshaus Hopfen & Co, Vögele und Forst, kleine Läden für Mode und Design. Bozens Szene trifft sich außerdem gerne auf einen Hugo bei den Fischbänken, einem Lokal in der Dr. Streitergasse, gleich neben dem Obstmarkt, in dem das Dolce Vita hautnah spürbar ist. Denn alles spielt sich draußen auf der Gasse ab, eine Kneipe gibt es nicht.

In Bozen trifft man sich unter den Lauben

In Bozen trifft man sich unter den Lauben

Architektur trifft Ginkgobaum

Rund um den Waltherplatz wird eifrig gebaut. Das prächtige Barock-Palais Campofranco in der Mustergasse soll bis 2021 zu einer Geschäfts- und Gastro-Meile umgestaltet werden. Lustig dabei: der Ginkgobaum im Hof steht unter Denkmalschutz, denn Kaiserin Sisi schenkte ihn einst ihrem Onkel und damaligen Hausherrn, Erzherzog Heinrich. Deshalb muss rundherum gebaut werden. Das Highlight von Architekt Massimo D’Alessandro soll bis Anfang nächsten Jahres fertig werden. Auch sonst tut sich noch einiges in der Stadt. Denn wenn die  Hautevolee` rund um das Hotel Laurin im Stau steht und zu spät zu den Events in der angesagten Laurin-Bar kommt, liegt das vor allem an der Großbaustelle rund um den benachbarten alten Busbahnhof. Hier entsteht das komplett neue Konzept „Waltherpark“, mit Kaufhaus und ausgelagertem neuem Busbahnhof, das Stararchitekt David Chipperfield konzipiert. Und das berühmte Ötzi-Museum in der Museumstrasse wird derart überrannt, dass ein Neubau geplant ist. Die norwegischen Architekten Snøhetta bauen hoch oben am Bozner Hausberg Virgl ein imposantes Museumsquartier, das wie eine Riesen-Terrasse über den Dächern der Südtiroler Hauptstadt schweben wird. Architekturfreunde, die sich an mittelalterlichen Lauben und gotischen Kirchen sattgesehen haben, schlendern am besten die Museumstrasse weiter bis zum Siegesplatz. Hier entstand in den 1920er und 1930er Jahren westlich der Altstadt eine neue Stadt. Die Architektursprache des fast vollständig erhaltenen urbanen Ensembles im Quiriner Teil des Viertels Gries spiegelt die italienische Geschichte und den Futurismus wider. Auf der Siegessäule weist übrigens ein Leuchtring auf die darunter liegende Dauerausstellung des Bozener Dokumentationszentrums hin. „’18 - ’45, 2 Sprachen, 2 Städte, 2 Diktaturen“.

 
Bozener Dokumentationszentrum

Bozener Dokumentationszentrum

Bozen goes Hollywood

Und welche Stadt kann schon damit angeben, dass ein Hollywood-Star für immer das Wahrzeichen präsentiert? Brad Pitt war vor Jahren bei seinem Besuch in der dunklen Ruhestätte des Archäologiemuseums, in dem  „Ötzi“ ausgestellt ist, so fasziniert, dass er die Gletschermumie auf seinen linken Unterarm tätowieren ließ. Und weil die Schönheit der Landschaft in und um Bozen glücklich macht, fand soeben im Eurac Research Bozen ein Symposium über Glück statt. Bei diesem  führte auch der österreichische Grammy-Award-Gewinner Stefan Sagmeister vor, dass Schönheit mehr ist, als eine oberflächliche Strategie. Eine Schönheit, die sich bezahlt macht. Die Hauptstadt des Grenzlandes Alto Adige gilt als beliebte Filmkulisse vom Bozen-Krimi bis zum neuen Film „Siberia“ von Abel Ferrara. So konnte man heuer auch Hollywood-Star Willem Dafoe im Restaurant Marechiaro treffen, wo er Meeresfrüchte verspeiste, als er für die Dreharbeiten vor Ort war.

Weinbau und Törggelen

Jetzt ist natürlich auch die beste Zeit für eine Jause zwischen herrlichen Weingärten und romantischen Schlössern unter freiem Himmel. Wer selbst auf dem Keschtn-Weg Maroni sammeln will, macht eine Wanderung  flankiert von wilden Kastanienhainen, von der mittelalterlichen Burg Runkelstein am Rittner Hochplateau Richtung Brixen. Wandermuffel können aber auch direkt in Bozen, etwa im Stadtteil Rentsch, törggelen, was soviel heißt, wie Traubenmost und jungen Wein trinken, tratschen und dazu geröstete Maroni essen. „Der Wind bläst die Feuchtigkeit von den Trauben weg, das ist bei unserer Lage besonders gut für den Lagrein“, sagt Georg Mumelter vom Griesbauerhof über seinen Weingarten, der oberhalb der Altstadt liegt. Das neue Lokal seiner Söhne, der „FreiRaum mumi“, gilt besonders unter jungen Gästen als Geheimtipp, nicht nur zum Törggelen. Wer hier mitten im Weingarten mit Sicht auf die grünen Reben und die Altstadt köstlichen Lagrein-Rosé-Sekt zu Maroni und hippen DJ-Klängen trinkt, weiß, dass das Dolce Vita auch hier angekommen ist.

Törggelen in  Südtirol

Törggelen in  Südtirol

Aber Bozen liegt nicht nur an der Etsch, der Eisack und dem Talfer. Erstaunlich sind auch die Höhenunterschiede in der Landeshauptstadt  von der Ortsmitte auf 262 Höhenmetern bis zur höchsten Stelle des Bozner Stadtgebiets rund um den 1.616 Meter hohen Titschengipfel. Die hügelige Landschaft erschwert zwar den Weinbau, dank des mediterranen Klimas und der unterschiedlichen Bodenbeschaffenheit erhält der Wein in den 96 Lagen Bozens aber seinen typischen Charakter. Zum Beispiel der autochthone Lagrein. Jährlich liefern sich hier die beiden wichtigsten Kellereien der Stadt, die Kellerei Bozen und das Kloster Gries, ein Duell,  wer der beiden denn die besseren dieser urwüchsigen Rotweine   macht.  Bei einem Rundgang durch die Kreuzgänge der barocken Stiftskirche und die gotischen Weinkeller des Klosters, kann man sich selbst ein Bild machen, wer dieses Jahr die Nase vorn hat. Und wenn die Bozner dann „bisch pronto?“ fragen, nickt man zufrieden und sagt lässig „hoi!“ Bereit für ein langes Wochenende des Genusses mit allem, was die Stadt zu bieten hat.

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