Wo Mönche Weihnachtskarpfen fischen

Der Mirabellgarten in Salzburg mit seinen barocken Brunnen und Skulpturen.
Im Benediktinerstift in Kremsmünster werden nun die Karpfen aus dem klostereigenen Schacherteich abgefischt. Wir blicken hinter die Kulissen.

Ein grüner Pickup mit Wasserbassin auf der Ladefläche rollt im Schrittempo entlang der Klostermauern. Die Fische kommen heim. Das Portal wird von lebensgroßen Heiligenfiguren flankiert. Genau in dem Moment, als das Fahrzeug den Heiligen Florian passiert, schwappt Wasser aus dem Bassin und klatscht auf das Pflaster im Innenhof, als würde es den nebeligen Novembermorgen auf diese Weise begrüßen.

Ein unauffälliges Tor wird von einem Pater geöffnet. Sein schwarzer Habit, der bis zum Boden reicht, weht im Luftzug. „Grüß Gott“, winkt er den Männern in ihren hüfthohen Gummi-Wathosen zu, die gerade aus dem Truck steigen. Jetzt hat man es „drawig“,  die lebenden Fische in ihr neues Zuhause zu bringen. Mit Keschern werden die wurlenden Tiere aus dem Bassin in ein Rollwagerl transferiert, und ab geht die Fahrt in das neue Zuhause. Didi gibt richtig Gas und fährt in der langen Säulenhalle so schnell, dass die Räder auf dem Steinboden bei jeder Rille ein tak tak, tak tak machen. Dann kommt Herbert zu Hilfe. Beide stemmen sie die Fuhre zum Rand des Beckens. Auf drei stürzen sie den Bottich – fliegende Forellen – und schon geht es wieder raus zum Pickup.

Eine Person in dunkler Kleidung steht auf einem Holzsteg an einem See mit einem kleinen Haus im Hintergrund.

Stille Einkehr nach dem Abfischen: Pater Florian im vergangenen Jahr am leergefischten Ufer des Schacherteiches.

Karpfen, Forellen, Störe

Nach einigen Durchgängen schwimmen die Fische wieder kommod im Fischkalter. Die erste Adresse für Fische. Freilich, ihr Dasein hat einen (für uns Menschen) guten Zweck und ist von enden wollender Dauer. Vier Tage vor Weihnachten kann man hier im Stift seine Weihnachtskarpfen und Forellen kaufen. „Und was sind das für riesige Fische in dem Bassin?“, fragt der Bub, der heute hier einen Schnuppertag hat. „Die Störe von Pater Leonhard“, bekommt er zur Antwort. Später erfährt man, dass der jagd- und naturbegeisterte Leonhard schon vor einigen Jahren gestorben ist – die Störe dürfen hier in memoriam in Frieden schwimmen.

Die Fischer fahren wieder ab, für die nächste Fuhre Karpfen.  Ruhe kehrt  ein in den barocken Säulenhof. Für einen langen Moment schaut Mönch Philipp in das Bassin mit den Schuppenkarpfen. Etwa tausend Tiere schwimmen im Gleichklang wie ein einziges großes Lebewesen. „Der Helle da vorne ist ein Amurkarpfen“, sagt Philipp.

Betrachtet man Frater Philipp in seinem Kittel, die Jagdtrophäen an den Wänden, die alte Balkenwaage, die wasserspeienden Skulpturen im Zentrum der Fischbecken, die winterstarren Bäume, in pastelligen Farben in der gesättigten Aquariumluft, kommt ein Gefühl der Zeitlosigkeit auf. So sind die Karpfen seit Hunderten Jahren hier geschwommen. So still. Ein zerfledderter, abgegriffener Hartkarton mit aufgedruckten Fischspezies aus Mitteleuropa lehnt am Becken. Wie ein Suchbild.

Kühlschrank des Klosters

Der Karpfen ist seit der Antike ein beliebter Speisefisch, der häufig in Fischteichen angezogen wird. Die Fischteiche des Klosters Kremsmünster sind einige Kilometer außerhalb und heißen Schacherteich  und Guntherteich. Im Wassergraben des Klosters gibt es eine kleine Forellenpopulation hauptsächlich für die Klostertaverne.

In einer Großküche bereiten Köche und Mönche Speisen zu.

In der Klosterküche wird eifrig gewerkt

Ein Mal im Jahr werden die Teiche abgefischt. Schacherteich und Guntherteich zu Allerheiligen in Form eines richtig großen Volksfestes. Was nicht gleich direkt aus den Netzen verkauft wird, gelangt in den „Kühlschrank des Klosters“, in den Fischkalter. Und das reicht für lange Zeit. In früheren Zeiten war der Kalter eine Notwendigkeit  und nützliche Quelle der Ernährung. Schließlich waren einige Hundert Menschen zu verköstigen. Heute ist das anders. In Zeiten der dichtmaschigen Nahversorgung und Zustelldienste hat sich die Fischzucht zu einem Spezialistentum gewandelt. Die Menschen aus der Umgebung wissen es zu schätzen. Und die Mönche auch. Wenn ein hauseigener panierter Karpfen mit Erdäpfelsalat auf den Teller kommt.

Zwei Männer in Kochkleidung sitzen am Tisch mit Fisch, Kartoffeln und Wein.

Es gibt kein Entkommen

Nicht jedes Kloster, das an einem Gewässer liegt, hat einen Fischkalter. Ausschlaggebend für diesen kulinarischen und kunsthistorischen Glücksfall ist schlicht das viele Wasser um das Stift herum. Es sprudelt und gurgelt allerorts um das Kloster. Aus Rinnsalen, Kanälen, Gullies und Bächen. Die Gegend ist gesegnet von Nass. Das Wasser scheint vom Stift wie ein Schwamm angezogen zu werden und fließt hier nach eigenen hydrologischen Gesetzmäßigkeiten.

Eine Gruppe von Menschen liest Bücher unter Lampen in einem dunklen Raum.

Gebet der Benediktiner im Refektorium

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