Vom Laien zum Experten: Wie man eine Weinnase trainiert

Eine Frau präsentiert ein Aromarad und ein Set mit Duftproben zur Weinverkostung.
Beim Weingut Lagler in der Wachau kann man seine Sinne trainieren. Am Ende spricht man über Wein wie ein Profi.

Wer mit Weinkennern am Tisch sitzt, kommt sich schnell ahnungslos vor. Da fallen Sätze wie: „Der erste Duft erinnert an frische Zitrusfrüchte und grünen Apfel, auch ein Hauch von Zitronengras ist auszumachen. Unter der Fruchtigkeit erkennt man eine subtile mineralische Note.“ Das Glas halten die Kenner locker lässig am Fuß und schwenken es in kleinen kreisenden Bewegungen. So unterstreichen sie ihr Expertentum.

Für Nicole Lagler war all das anfangs eine fremde Welt. Als sie in das gleichnamige Weingut in Spitz/Donau eingeheiratet hatte, war sie alles andere als eine Weinkennerin. Sie schenkte zwar den Gästen den Wein in die Gläser, konnte aber mit Begriffen wie Abgang, Tannin oder Barrique wenig anfangen. Ein Umstand, der die Juniorchefin nicht sonderlich glücklich machte. Das war auch ihrem Schwiegervater nicht entgangen.

Er nahm sie eines Tages zur Seite und verriet ihr ein Geheimnis. „Er hat mir gezeigt, wie Profis lernen, ihre Nase zu schulen, um einzelne Aromen zu erkennen und von anderen zu unterscheiden.“

Eine Sammlung nummerierter Duftproben in kleinen Glasflaschen in einer schwarzen Schachtel.

Le Nez du Vin: Für jedes Aroma eine Flasche.

Le Nez du Vin: Für jeden Duft eine Flasche   

Dazu holte Lagler senior eine große Buch-Box mit unzähligen Fläschchen – in jedem steckt ein typisches Weinaroma. Eines duftete nach Ribiseln und gehört somit zu den fruchtigen Düften. Dann gibt es rauchige Aromen, zu denen der Speck zählt, oder würzige Noten, etwa Liebstöckel oder Pfeffer.

Um diese Aromen wiederzuerkennen, braucht es viel Übung. Die hat Nicole Lagler mittlerweile – und sie schult andere. Von März bis November bietet das Weingut ein Sensoriktraining samt Weinwanderung und Mittagessen (ab 100 Euro).

Luftaufnahme von Weinbergen in einer hügeligen Landschaft mit einem Fluss und einer Stadt im Hintergrund.

Terrassen bestimmen das Bild der Wachau.

Erste Lektion, die man bei einem solchen Training lernt und sicher nicht so schnell vergisst: Geschmacks- und Geruchssinn bedingen einander. Ein Aha-Erlebnis verschafft da ein kleines Schälchen, das vor jedem Teilnehmer steht. „Halten Sie sich die Nase zu und kosten“, fordert die Winzerin die noch untrainierten Weinkenner auf. „Schmeckt süß“, meint eine Dame mittleren Alters. Ihre Tischnachbarn stimmen ihr zu. „Und jetzt schmecken und riechen Sie gleichzeitig“, fordert Nicole Lagler alle auf. Ein lautes „Ah“ oder „Oh, interessant“, raunen sich die Testerinnen und Tester zu. Denn der Duft nach einem bekannten Gewürz steigt allen in die Nase. Es ist Zimt.

Wonach schmeckt das? Plastik oder Safran

Das erste Fläschchen, an dem die Teilnehmer an diesem Tag riechen, können die wenigsten zuordnen: „Es riecht wie eine frisch ausgepackte Luftmatratze“, ist eine Assoziation. Dabei ist dieser Duft Safran. Das nächste Fläschchen versprüht den Duft nach Kindheit – ist aber Honig. Nächster Duft, nächstes Rätsel: Was für manche nach Terpentin stinkt, ist in Wahrheit eine Pfeffernote. Hatschi!

Düfte und Geschmäcker zu erkennen, kann man sich also antrainieren. Bei den Laglers ist das mittlerweile Alltag: „Wir machen das mit unseren Kindern. Wir reden beim Essen darüber, wie ein Paprika schmeckt“, erzählt die Mutter.

Das Aromenset, das den Namen „Le Nez du Vin“ trägt (wörtlich: die Nase des Weins), weil es von einem Franzosen entwickelt wurde, dient seit mehr als vierzig Jahren nicht nur angehenden Sommeliers und Weinliebhabern, ihre olfaktorischen Fähigkeiten zu trainieren.

Auch eine Bekannte der Winzerin hat das Set genutzt, um sich ihren Geruchssinn wieder peu à peu anzutrainieren, nachdem sie diesen nach einer Corona-Infektion verloren hatte. Heute kann sie wieder riechen. Zum Glück.

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