Steiermark: Warum der Hochschwab bei Gourmets beliebt ist

Die Tour: Zum Hochschwab über das G’hackte mit Abstieg über Häuslalm: etwa 9 Stunden, 1.600 Höhenmeter, 19,7 Kilometer. Der Weg durch das G’hackte ist bestens mit Leitern und Stahlseilen versichert. Start beim Gasthaus Bodenbauer, Übernachtung im Schiestlhaus und am zweiten Tag über die Häuslalm absteigen.
- Der Hochschwab in der Steiermark ist eine Wanderregion mit viel ursprünglicher Natur.
- Die Region ist ein wichtiges Wasserschutzgebiet und bietet eine Vielzahl von Kletter- und Wandermöglichkeiten.
- Moderne Berghütten wie das Schiestlhaus und die Voisthaler Hütte verbinden Tradition mit Innovation.
Wiener wissen es. Aber Bürger aus den anderen Bundesländern fragen sich schon mal: Wo genau hören die Alpen im Osten eigentlich auf?
Im Fünfhundert-Einwohner-Dorf Etmißl im steirischen Bezirk Bruck-Mürzzuschlag auf jeden Fall noch nicht. Im Landhotel „Hubinger“ begrüßen einen die Gastgeber Hans und Paula Wöls wie alte Freunde. Hans, der mit einer Haube von Gault&Millau dekorierte Koch, verschwindet gleich wieder in der Küche, während Paula mit Winzersekt aus dem Süden des Bundeslandes erstversorgt. Drei genussreiche Gänge und Gläser später setzt sich Hans mit einer Flasche edler Vogelbeere dazu und schwärmt von den Tourenmöglichkeiten seiner Hausberge, die sich bis auf fast 2.300 Meter in den Himmel recken.
In Tirol hätte sich längst die Seilbahn-Lobby einen solchen Leckerbissen unter den Nagel gerissen. In der Hochsteiermark ticken die Uhren zum Glück – zumindest aus Sicht ruhesuchender Bergtouristen – noch etwas langsamer. Das alpine Wettrüsten fand hier nie statt, nicht auf jedem Hügel thront ein modernes Wellnesshotel. Man setzt auf Gäste aus dem Großraum Wien und dem angrenzenden Osteuropa, die weder berühmte Dreitausender noch Gletscher brauchen. Vieles ist eine Nummer kleiner als im Westen Österreichs. Dafür nehmen die Steirer in Kauf, dass einige Orte einen etwas herben 1970er-Jahre-Charme verströmen.

Die Region bietet viele Spitzenrestaurants. Im Landhotel Hubinger (hubinger.com) serviert Hans Wöls prämierte Haubenküche (Bild). In Bruck gibt es mit „Johanns living“ (johanns.at) das kleinste Haubenlokal Österreichs und am Bründlweg am Pogusch mit dem Wirtshaus Steirereck eine exklusive Einkehrmöglichkeit.
Diese Patina stört beim Aufbruch zum Hochschwab-Gipfel – dem höchsten Berg des gleichnamigen Massivs – keineswegs. Der höchste Punkt lässt sich aus allen vier Himmelsrichtungen erreichen. Die Route durch das Trawiestal und das G’hackte, einen mit Treppen und Stahlseilen versicherten Steig am Rand einer steilen Felsrinne an der Südflanke des G’hacktkogels, gilt als Königstour – und ist dennoch für trittsichere und schwindelfreie Bergwanderer kein Problem.
Wo das Wasser herkommt
„Hier wandert man ständig über Wasser“, erklärt Wanderführer Andi. „Sechzig Prozent des Wiener und dreißig Prozent des Grazer Trinkwassers kommen vom Hochschwab. Zehntausend Liter pro Sekunde rauschen nach der Schneeschmelze allein aus der Kläfferquelle, die Wien versorgt. Große Teile des Massivs sind deshalb Wasserschutzgebiet.“ An die Oberfläche tritt es im Karst freilich selten. Inzwischen hat man freie Sicht auf das Schaustück des Hochschwabs: seine fast zwei Kilometer breite und dreihundert Meter hohe plattige Südwand, durch die Kletterrouten in allen Schwierigkeitsgraden führen. Der Anstieg ist deutlich weniger schweißtreibend. Hat man das G’hackte hinter, respektive unter sich, präsentiert sich der Hochschwab als eher zahme Hochfläche. Nach insgesamt fast 1.500 Höhenmetern steht man am höchsten Punkt mit dem großen Kreuz. Man sieht Dolinen, groß wie Meteoritenkrater.

Die Tour: Zum Hochschwab über das G’hackte mit Abstieg über Häuslalm: etwa 9 Stunden, 1.600 Höhenmeter, 19,7 Kilometer. Der Weg durch das G’hackte ist bestens mit Leitern und Stahlseilen versichert. Start beim Gasthaus Bodenbauer, Übernachtung im Schiestlhaus und am zweiten Tag über die Häuslalm absteigen.
Und natürlich das Schiestlhaus, nur zwanzig Gehminuten unterhalb des Gipfels. Dort zu schlafen, ist gleich eine doppelte Freude. Erstens ist die Lust auf den langen Abstieg nicht groß und zweitens ist eine Übernachtung in diesem Schutzhaus des Österreichischen Touristenklubs (ÖTK) mit modernem Pultdach und voll verglaster Südfront ein Muss für Hochschwab-Neulinge.

Das Schiestlhaus war die erste Berghütte in den Alpen mit Passivhausstandard und wird bis heute unkonventionell geführt.
Unkonventionelle Hütte
Die seinerzeit erste Berghütte in den Alpen mit Passivhausstandard und intelligentem Raumkonzept ist nicht nur architektonisch ein Leuchtturmprojekt. Sie wird ebenso unkonventionell geführt. Längst haben auch die Einheimischen akzeptiert, dass Küchenchef Wolfgang Barak aka „Herr Wolf“ lieber Voodoo-Chicken und Tibetische Thenthuk-Nudelsuppe als Kaspressknödel kocht; dass er lieber Reggae und Blues als Holareidulijö hört; und dass er lieber ein Käppi mit Lenin-Stern als einen Filzhut trägt. Kurzum: Der ÖAV könnte sich hier abschauen, wie man eine Berghütte im 21. Jahrhundert zeitgemäß managt.

Wolfgang Barak („Herr Wolf“) ist der unkonventionelle Küchenchef im Schiestlhaus
Am frühen Abend geht es noch auf die Pirsch. Natürlich nur mit der Kamera. Keine zweihundert Meter von der Hütte entfernt entdeckt man Gämsen und Steinböcke, die einträchtig nebeneinander äsen. Keine Frage: Der Hochschwab ist nicht nur wasser- sondern auch wildreich. Nirgendwo sonst in den Alpen gibt es mehr Gämsen pro Quadratkilometer. Entsprechend stark ist die Lobby der Jäger in der Hochsteiermark, mit fünfundsiebzig Prozent Waldanteil die grüne Lunge Österreichs. Bestimmte Hochschwab-Routen sind im Herbst für Wanderer sogar komplett tabu – Jagdsperre nennen das die Grünröcke mit einem kräftigen Schuss Chuzpe.
Anreise Zug nach Mürzzuschlag, Kapfenberg oder Bruck an der Mur. Weiter mit Bus, Taxi oder Abholservice. oebb.at
Übernachten
schiestlhaus.at
voisthalerhuette.com
friedlerhuette.com
haeuslalm.at
Weitwanderweg
„BergZeitReise“: Geschichte(n) der Hochsteiermark erleben, Buch dazu über den Tourismusverband
Auskunft
steiermark.com/de/Hochsteiermark
Ein Glück, dass es anderntags zu Fuß und nicht mit dem Mountainbike weitergeht. Schließlich will man im einst kaiserlichen Jagdrevier – Erzherzog Johann kam als erster „Tourist“ an den Hochschwab und dokumentierte seine Wanderungen für die Nachwelt – nicht erschossen und zu Hirschgulasch verarbeitet werden. Auf direktem Weg wandert man über den Graf-Meran-Steig zur Voisthaler Hütte hinab. Mit dem 2021 eingeweihten Neubau bewies der ÖAV, dass er eben doch modern kann. Die lichtdurchflutete Herberge mit dem liebevoll gepflegten Steingarten, wo der Herd der alten Hütte seine letzte Ruhestätte gefunden hat, gefällt sogar noch besser als das Schiestlhaus.

Die Region überzeugt mit vielfältigen Touren – von der gemütlichen Klammwanderung bis zu alpinen Kletterrouten. Empfehlenswert: Mehrtagestouren mit Übernachtungen auf den vorbildlich bewirtschafteten Hütten. Tipp: Viertägige Hochschwab-Überschreitung mit der Wanderführerin Barbara Höfer. weltweitwandern.at
Je länger man am Hochschwab unterwegs ist, desto mehr begreift man, dass diese alpine Spielwiese selbst in zwei Wochen nicht vollständig erkundet werden kann. Ewig könnte man im Wechsel über karge Karstflächen und grüne Graskuppen wandern. Den Murmeltieren zuschauen. An verfallenen Holzstadeln ein Nickerchen machen. Über die Blumenpracht im Allgemeinen und die Edelweißwiesen im Besonderen staunen. An der Aflenzer Bürgeralm, wo man in der urigen Friedlerhütte einen auf Selbstversorger macht und den Holzofen anheizt, endet ein langer Tag.

Frühstück im Freien auf der Friedler Hütte
Ganz autark muss man sich nicht verköstigen: Hausherrin Johanna hat in einem Korb „Schnapserl“ und Zweigelt bereitgestellt und für Frühstück gesorgt. Am nächsten Morgen weckt das Läuten der Kuhglocken, da kommt der steirische Großschriftsteller Peter Rosegger in den Sinn, der über den Hochschwab sagte: „Was soll ich schreiben, mir fällt nichts ein in diesen Bergen voll Sonnenschein, als in Ehrfurcht schweigen und selig sein!“
Und wer es nicht wusste: Die Ostalpen reichen in Österreich übrigens bis ins Burgenland.
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