Winter ohne Skifahren: Wandern in einem versteckten Tal in Tirol

Winter ohne Skifahren: Wandern in einem versteckten Tal in Tirol
Ja, eine verschneite Landschaft ist wunderschön. Das Kufsteiner Land hat im Winter aber auch andere reizvolle Alternativen zu bieten.

Die Bergkämme rund um die Festungsstadt sind dekorativ angezuckert, weiter unter an den Hängen entlang vom Inntal zeigt sich noch nichts von der weißen Pracht. So lassen sich die dreihundert Stufen, die vom Stadtrand von Kufstein bis hinauf ins Kaisertal führen, ohne Schwierigkeiten bewältigen.

Frau auf den Stufen von Kufstein ins Kaisertal

300 Stufen führen vom Stadtrand in Kufstein ins Kaisertal

„Über Jahrhunderte war das der einzige Zugang zu diesem Tal, erst 2008 wurde ein Tunnel gebaut, der eine Zufahrt zu den dort liegenden Gehöften ermöglicht hat“, erzählt Maria, die Führerin dieser Tour. Unglaublich, dass die Lebensbedingungen bis zu diesem Zeitpunkt in vielerlei Hinsicht geradezu mittelalterlich anmuteten. So dauerte der Fußweg bis zur ersten Schulbus-Haltestelle eine Stunde, in schneereichen Wintern sogar länger. Beim steilen Anstieg eröffnet sich ein fantastischer Blick auf Kufstein mit seiner Festung sowie auf das von schroffen Berghängen gesäumte Inntal. Daran erfreuen sich auch einige Wanderer, die das kühle, aber sonnige Wetter für eine Tour nutzen. Der Tunnel darf nur von den Bewohnern des Tals und Einsatzfahrzeugen benutzt werden. Am Wegrand nach dem Kaiseraufstieg liegt die kleine Pfandlhofkapelle. Maria zeigt auf alte Schwarz-Weiß-Fotos, die am Eingang hängen: „Der Bauer wurde in Kufstein erfolgreich operiert und hier mit einem Pferdeschlitten gebührend in Empfang genommen!“

Souvenirs der Natur

Das Tal weitet sich, am flachen Hang stehen hohe, trockene Halme. Maria nennt sie „goldenes Gras“, pflückt sie und legt sie am Wegrand ab. „Am Rückweg werden wir sie mitnehmen und später Strohsterne daraus basteln.“ Maria versteht es, ihren Begleitern die Augen für Details und Besonderheiten zu öffnen, lenkt die Aufmerksamkeit etwa auf einzelne Zweige, die schon zarte Knospen bilden, um sie im Frühjahr entfalten zu können. Vor der Kulisse des Wilden Kaisers mit seinen zerfurchten Felsen und schneebedeckten Hängen, liegen verstreut einige Bauernhöfe, darunter der älteste im gesamten Kaisertal, der 1924 erbaute Hinterkaiserhof.

Anreise
Klimafreundliche Anreise mit Railjets der ÖBB neun Mal  täglich ab Wien, Fahrzeit etwa 3 Stunden und 40 Minuten. 

Unterkunft und Kulinarik
– Alpengasthof Pfandlhof im Kaisertal
Veitenhof im Kaisertal
– Gasthaus und Hotel Dresch in Erl: Gasthaus mit Haubenküche und Komfort-Zimmern mit viel Naturholz, E-Bike-Verleih, Fußweg zum Festspielhaus und Passionsspielhaus (Aufführungen ab Mai 2025, Infos unter passionsspiele.at)

Auskunft
– Detaillierte Infos bei Kufsteinerland, kufstein.com
tirol.at

Auf dem Rückweg laden die Gaststuben von Pfandlhof und Veitenhof zur Stärkung ein, serviert werden Schmankerl aus der Tiroler Küche, wie Speckknödelsuppe, Kasspatzln oder Tiroler Gröstl. Dann geht es ans Einsammeln von Gräsern, Hagebutten, Moos und Heidekraut („Daraus lässt sich Tee bereiten, das stärkt das Immunsystem!“) und zum Abstieg über die nach wie vor dreihundert Stufen.

Bedächtig durchs Leben

Einige Strohsterne sind beim Basteln in der warmen Stube des Hotels bereits gelungen, da beginnt es leicht zu schneien. Höher oben, in Thiersee bei Kufstein, wird sich nun wohl eine Schneedecke bilden. Es ist dämmrig geworden, die ideale Stimmung für eine Fackelwanderung rund um den Thiersee. Christine von der Kräuterwelt Thierseetal erwartet die Wanderer am Ortsrand mit Fackeln und verteilt kleine Zettel. „Jeder soll aufschreiben, was ihn derzeit belastet. Am Ende der Wanderung werden wir gemeinsam alle Zettel verbrennen – und damit auch unsere aktuellen Bürden loswerden.“

Zwei Menschen mit einer Fackel in der verschneiten Landschaft bei Dämmerung, vor einer Kapelle stehend

Bei einer Fackelwanderung kann man seine Sorgen hinter sich lassen

Es schneit in immer dickeren Flocken. Trifft eine Flocke auf das Feuer der Fackel, zischt es, der frische Schnee knirscht unter den Schuhen, ansonsten herrscht Stille. „Achtet einmal bewusst darauf, wie ihr auftretet“, schlägt Christine vor, „denn das sagt viel über euch aus, das gilt speziell für das Gehen im Schnee. Wer stampft, stampft auch durch sein Leben. Wer sich hingegen mit Bedacht und unter Einsatz all seiner Sinne vorwärts bewegt, nimmt sein Leben anders in Angriff.“

Mystischer See

Still und starr liegt der See, ganz wie im Weihnachtslied, sein Wasser glitzert in der Dunkelheit. „Viele Sagen und Mythen ranken sich um Thiersee“, erzählt Christine. Wenn er zugefroren ist, kann man manchmal ein Grollen weit durch das Thierseetal hören. Der Legende nach stammt es von Pontius Pilatus, der in Gestalt eines Stieres auf den Grund des Thiersees verbannt wurde und dessen Aufbegehren gegen sein Schicksal in eiskalten Winternächten zu hören ist. Realisten bestehen hingegen darauf, dass die unheimlichen Geräusche von Sprüngen in der Eisdecke, die durch ständigen Zu- und Abfluss unter starker Spannung steht, herrühren. Ein Anstieg zwischen Weidezäunen führt zu einer Kapelle am Waldrand. Im Schein der flackernden Fackeln gibt sie ein mystisches Bild ab. In einer Feuerschale werden die Zettelchen verbrannt. Der Rückweg durch den Schnee fühlt sich ungewöhnlich leicht an; ein bisschen Last scheint tatsächlich genommen worden zu sein.

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