Die Suche nach Stille: Kreuzfahrt für Anfänger

MSC World America, Miami
Auf See verliert Zeit ihre gewohnte Bedeutung. Eine Kreuzfahrt von der Millionenstadt Miami auf eine Privatinsel der Bahamas.

Es beginnt mit einem Gefühl zwischen Nervosität und Ungeduld. Am Hafen von Miami drängen sich die Menschen mit Koffern, Sonnenhüten und Kameras – alle mit demselben Ziel: Ein schwimmendes Hotel zu betreten, das sie in wenigen Tagen zu neuen Ufern bringen wird.

Schon beim ersten Blick auf das riesige Schiff stockt der Atem. Man hat zwar Bilder im Kopf, doch die Realität ist anders: Mehrere Decks ist das Kreuzfahrtschiff der MSC World America hoch, sechstausend Menschen haben hier Platz. Für ein Kind einer Familie, die seit Jahrzehnten auf denselben Camping-Platz in Italien fährt, ist die Dimension dieses Schiffs nur schwer greifbar. Statt Duschen, die entweder kein oder nur kaltes Wasser spenden, gibt es in manchen Kabinen sogar eigene Whirlpools. Der Nachbar grüßt nicht jeden Morgen nach einem eingehenden Blick auf das eigene Frühstück, am Schiff taucht man in eine Anonymität ein, die befreiend wirkt.

Sonne am Horizont

Auch die Ruhe und Entspannung, die man vermeintlich nur auf jenem abgelegenen, naturbelassenen Camping-Platz in Italien findet, gibt es am Schiff. Man muss sie nur bewusster suchen. Ein Kreuzfahrtschiff muss schließlich nicht nur die Bedürfnisse einer Zielgruppe erfüllen, sondern die von Familien, Paaren, Senioren und eben auch von Menschen, die auf hoher See ihre Ruhe suchen. Dafür eignet sich die eigene Kabine am besten – allerdings nur, wenn man über das Privileg eines Balkons verfügt. Um die Sonne am Horizont über dem Meer aufgehen zu sehen, nimmt man da auch ein Schlafdefizit in Kauf. Das Schaukeln des Schiffs im Morgengrauen lässt jegliches Zeitgefühl verschwimmen. Zu hören sind ausschließlich die Möwen, die rund um das Schiff kreisen. Zeit verliert in dem Moment ihre gewohnte Bedeutung.

Erst nach und nach erwacht das Schiff zum Leben, in den Gängen herrscht geschäftiges Treiben des Personals, die Restaurants füllen sich. Besonders das Lokal mit den großen Bullaugen, die den Blick auf die Insel der Bahamas ermöglichen, ist bei den Gästen beliebt. Dann ist es zunächst aus mit der Ruhe, am Vormittag wuseln Kinder durch die Decks, Hunderte Gäste strömen auf die Insel oder sonnen sich an Deck.

Hoher Puls

Abgeschiedenheit und Stille findet man nun eher in den inneren Räumlichkeiten, wie dem Fitnessstudio. Der Blick auf das offene Meer treibt nicht nur die Motivation, sondern auch den Puls in die Höhe. Am Nachmittag strömen die Gäste von der Insel wieder zurück aufs Schiff, das demnächst wieder Fahrt aufnimmt. An das leise Brummen der Motoren ist man schnell gewöhnt, an den starken Wellengang zu späterer Stunde nicht.

Die Suche nach einem ruhigen Ort gestaltet sich nun schwieriger, gleichzeitig treibt das Bedürfnis nach Stille auch dazu an, alle versteckten Ecken des Kreuzfahrtschiffs zu erkunden. Die Hollywood-Schaukel zum Beispiel, die auf dem höchsten Deck installiert ist. Höhenangst-Befreite lassen ihre Beine über dem offenen Meer schaukeln, den Blick in die Ferne gerichtet, die Hand an der Handykamera. Die Warteschlange ist aber zu lang, also geht es weiter. Fündig wird man auf der Suche nach einem stillen Ort schließlich am „Achterdeck“, wie der richtige seemännische Ausdruck dafür lautet. Am hintersten Deck. Nur wenige Menschen versammeln sich hier, die meisten fotografieren die gigantische Heckwelle, sich selbst oder den Horizont, bevor sie weiterziehen.

Der ideale Ort, um zu verweilen. Um das Gefühl von Freiheit, Natur und Stille zu erlangen, braucht es also keinen Trip nach Italien. Es braucht keinen Gaskocher, keinen Campingstuhl und schon gar keine Isomatte.

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