Hurra, es war geschafft. Am letzten Urlaubstag der ersten Woche anno 2017 haben wir die Hütte geputzt, Holz gehackt, Gedicht geschrieben, einen Blumenstrauß gepflückt und hingestellt ... das hat die lieben Wirtsleut’ sehr beeindruckt und daher sind wir heuer schon das sechste Jahr auf „unserer“ Hütte! Wie gesagt: „Geborgt!“
„Aber ihr dürft’s nicht sagen, wo die is’, sonst steht jeden Tag einer da und fragt nach der Hütte!“ Versprochen. Also unsere geheime Hütte! Sehr einfach, aber, wie in dieser Gegend bereits fast überall üblich, mit Solar- und Photovoltaikzellen am Dach. Also wenn die Sonne scheint, kann man am Abend warm duschen und hat bis zum Schlafen gehen ein bisserl ein Licht ... bei Regen – dann halt nicht.
Gekocht und die Küche gewärmt wird mit einem herrlich alten gemauerten Herd. Das Kaltgetränk wird gekühlt in einem Trog vor dem Haus, wo eine Quelle immer kaltes Wasser fließen lässt. Bis unser „Verborger“ gesagt hat: „Stellt das Bier lieber in die Speis ganz unten auf den Boden. Dort ist es kühler als im Trog.“ Die waren damals schon schlau! Ein Teil der Hütte wurde so ein bisserl in den Hang hineingebaut und dort ist eben die Speis ... und wirklich ganz ohne Kühlschrank erfrischend (fast) kalt!
Unsere Hütte! Von dort aus wird gewandert, was das Zeug hält! Ein beliebtes Ausflugsziel ist das Marterle! Die höchste Wallfahrtskirche Österreichs mit 1.861 Metern Seehöhe. Von „unserer“ Hütte aus kreuzt man plötzlich den Alpe-Adria-Trail. Irgendwie beeindruckend. Du schaust in die eine Richtung und weißt: ein Stückerl Fußmarsch und du bist am Meer. Du riechst es förmlich, das rauschende Salzwasser, hörst die Kinder, die am Strand kreischen und die Brandung, die an die Mole klatscht! Und dann drehst du Dich in die andere Richtung und riechst ebenfalls was: das Eis des schmelzenden Gletschers und die Abgaswolken der Guzzis und Harleys und Gold Wings. Und hörst das Schnaufen der holländischen Wohnwagenkolonnen, die sich über den Großglockner quälen. Zirka fünfzig Kilometer und sechsunddreißig Kehren später und fast vierzig Euro ärmer ist der Spuk schon wieder vorbei. Man ist oben gleich gar nicht ausgestiegen, weil eh kein Parkplatz, weil eh so viel Leut und weil eh der Kaffee so teuer und weil man eh weiter will ... möglichst rasch ... in den Urlaub.
Also wenn ich mir’s so überleg ... und die Zeit hätt’ ... ich würd lieber in die andere Richtung gehen. Man steigt in den Alpe-Adria-Trail am Fuße des Glockners in Kärnten ein, wandert 750 Kilometer über Kranjska Gora nach Muggia in Friaul-Julisch Venetien an die Adriaküste Italiens. Ein bisserl Zeit sollt man sich schon nehmen. Man kann ihn auch etappenweise gehen, wie wir das machen. Und während ich so sinniere, taucht sie auf, die Spitze des Marterle Kirchturms. Um gleich wieder zu verschwinden, wenn man sich an die nächste Talquerung macht. Und wieder taucht sie auf, jetzt größer, verheißender, ehrerbietiger. Und dann endlich hat man es geschafft! Steht vor der Kirche und vor dem Alpengasthaus Marterle!
Siehe da, die Adler haben uns begleitet, kreischen auch hier ihr Lied und haben nicht so lang gebraucht wie wir. Nicht nur Adler kreisen hier in den Lüften: Der Himmel ist voller bunter Sprenkel! Beim Marterle ist ein beliebter Startplatz für Paragleiter. Majestätisch durchpflügen sie den Himmel ... „Über den Wolken ...“, singe ich gedankenverloren vor mich hin, „Da müsst ma ein Lied drüber schreiben ...“„Gibt’s schon!“, sagt trocken mein Wanderkollege ... Schad’ eigentlich, wäre sicher auch von mir ein Hit geworden.
Aber bevor ich mir die zweite Zeile überlegen kann, frohlockt die Erika: „Schnapserl, die Herren?“ Sie ist die gute Seele des Lokals, eine großartige Köchin und hat stets ein Lachen im Gesicht! Ganzjährig, auch wenn sie im Winter immer wieder mal hier heroben eingeschneit ist. Und ihre Schwiegertochter Lisa steht ihr um nichts nach! Ich empfehle Ihnen, liebe Leser und Wanderer, die Kaspressknödel oder den herrlichen Schweinsbraten zu versuchen (vorher anrufen, wann ein frischer gebraten wird). Und für die müden Wanderer gibt’s gemütliche Übernachtungsmöglichkeiten.
Wenn die Erika Zeit hat, setzt sie sich auch „zuwe zu de Herrn“: „Habt’s scho ghört, der Wolf war wieder da. Zwei Lämmer hat er g’rissen, unten im Tal, um elfe am Vormittag, gleich neben der Kirch’n!“ Dramatische Fotos werden am Handy hervorgekramt! Da gemahnt es einem dann gleich zum Aufbruch, man will ja noch vorm Sonnenuntergang in der Hütte sein und die Wolkentürme verschieben sich auch schon ganz verdächtig und man hat ja noch fast zwei Stunden Fußmarsch! Frisch gestärkt geht es wieder gen Tal und gen Hütte! Und man kommt trockenen Fußes gerade noch zur Hütte, bis sich der Himmel entlädt, samt Blitz und Donner! Auf 1.600 Meter ist so ein Gewitter umso gewaltiger und man muss sich gegenseitig versichern, dass diese Hütte jetzt schon seit einigen hundert Jahren steht, warum sollte sie ausgerechnet heute niedergeblitzt werden, ausgerechnet heute ... und wieder bebt die Erde und wieder zerreißt ein Zacken den düsteren Himmel, samt Gerumpel und Gepumpel!
Aber wie in den Bergen halt so üblich, so schnell da und auch so schnell wieder weg. Die Luft unvergleichlich! Das Licht gewaltig! Und der Regenbogen farbenprächtig! Und es wird doch noch ein warmer Sommerabend vor der Hütte mit einem Lau-kalt-Getränk oder zwei! Als es ganz finster ist, also wirklich finster, nicht so wie im Tal oder auf der Mariahilfer Straße, man des Sternderlschauens schon trunken ist, dann geht man halt zu Bett. Heut’ war ein schöner Tag! Daher hat man auch ein Funzerl Licht in der Hütte zum Zähne putzen. Die Hütte macht man dann zu, heute ausnahmsweise wird zugesperrt, nicht aus Angst vor Einbrechern, findet ja eh keiner, „unsere“ Hütte! Aber sicher ist sicher ... man hat ja angeblich schon Wölfe gesehen, die Türschnallen öffnen können, sollen ja sehr intelligente Wesen sein, also nicht, dass ich dran glaub ... aber ... Gute Nacht.
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