Glasgow, Edinburgh und Inverness: Das Dreimaleins des Dudelsacks

Die Victoria Street in Edinburgh mit ihren farbenfrohen Häusern und vielen Menschen.
Zwischen Sackpfeife, Nessie und Harry Potter beweisen die drei Städte, dass sie zu Recht als Trendmetropolen gelten. Ein Besuch, der bis in die Highlands führt.

Er holt tief Luft, kneift die Augen zusammen und bläst mit voller Kraft in die hölzerne Pfeife. Die Töne kommen langsam und wuchtig, nach und nach baut sich eine – ohrenbetäubend laute – Melodie auf. Welch Kunststück der zierliche „Bagpiper“ Jamie an seinem Dudelsack vollbringt, wird erst klar, wenn man das schwere Instrument selbst in die Hand gedrückt bekommt: Die Erzeugung eines Tons gleicht einem Kraftakt, von einem vollständigen Lied ganz zu schweigen.

Dudelsack statt Blockflöte

Am „National Piping Centre“ in Glasgow, dessen Schirmherr niemand Geringerer als Seine Majestät König Charles III. ist, gibt Jamie sein Wissen über das Tausende Jahre alte Musikinstrument an Touristen weiter. Besucher dürfen auch selbst Hand anlegen und staunen dann meist, wie anstrengend die „Bagpiperei“ sein kann. „Du musst wirklich fit sein, brauchst jeden Knochen in deinem Körper“, bestätigt Jamie, der seit seiner Kindheit „dudelt“. Als Teil des Royal Regiment hat der Schotte auch selbst schon für die verstorbene Königin und den jetzigen König gespielt.

Luftaufnahme des Clyde in Glasgow mit der Arc-Brücke, dem Armadillo Convention Center und dem Millennium.

Die Brücke „The Clyde Arc“ repräsentiert das moderne Glasgow. 

Ein Dudelsackspieler in traditioneller schottischer Kleidung spielt sein Instrument.

Nichts für schwache Lungen: Dudelsackspielen. 

Statt Blockflöte lernen viele Schulkinder in Schottland das Dudelsackspielen, erzählt auch der Fremdenführer, selbst ein gebürtiger „Glaswegian“. Stolz führt er durch seine Stadt, die sich seit der Gründung vor 850 Jahren zur zweitwichtigsten Metropole im britischen Königreich und der größten Stadt Schottlands gemausert hat. Musik liegt in der Luft, davon zeugt nicht nur der omnipräsente Dudelsack, sondern auch die Liste jener Bands und Musiker, die aus Glasgow stammen und die sich liest wie das Line-up für ein Indie-Rock-Festival: Franz Ferdinand, die Simple Minds, Travis oder Amy Macdonald haben ihre Karrieren in Glasgow begonnen.

Blick in das Innere des Princes Square Einkaufszentrums in Glasgow mit Rolltreppen und Restaurants.

Shoppen in Glasgow.

Obwohl sie bevölkerungsmäßig größer ist als Edinburgh, kultiviert Glasgow geschickt seinen Ruf als hippe kleine Schwester der Hauptstadt. Shoppingfans zieht es in die Fußgängerzone mit den viktorianischen Fassaden und versteckten Kaufhäusern, die wegen ihrer Mischung aus Luxus- und Indie-Shops den Beinamen „Style Mile“ trägt. Auch die Pubs sind gesteckt voll, getrunken wird im Stehen an und vor der Bar, oft streng getrennt in Celtics- und Rangers-Fans.

Abstecher in die Highlands

Von der „Old Firm“, wie die alte Rivalität zwischen den beiden Fußballklubs genannt wird, ist weiter oben im Norden weniger zu spüren. Die Städte werden kleiner, aber nicht weniger sehenswert: Inverness etwa überzeugt mit seiner quirligen Altstadt und interessanten Food-Szene – und seiner Nähe zum berühmten, rabenschwarzen Loch Ness, den man am besten von der Ruine Urquhart Castle besichtigt. Ganz um das Nationalheiligtum Nessie kommt man bei einem solchen Besuch nicht herum: Zwar lässt sich das Seeungeheuer persönlich wieder nicht blicken, taucht in und um Inverness aber in unzähligen Souvenir-Varianten auf. Neben seiner Rolle als „Nessie-Hauptstadt“ ist Inverness als Tor zu den Highlands bekannt: Hier beginnt das dünn besiedelte Hochland mit seinen violetten Heideblumen, dunklen Seen und bis zu 1.300 Meter hohen Bergen.

Ein Mann steht vor einer blauen Tür eines gelben Hauses.

Den Deutschen Reiner Luyken zog es in die Highlands. 

Und hier, in den Highlands, befindet sich ein Ort mit dem unaussprechlichen Namen Achiltibuie, in dem sich der deutsche Journalist und Autor Reiner Luyken vor mehr als vierzig Jahren niedergelassen hat. Luyken war Lachsfischer und Schafbauer, jetzt führt er gemeinsam mit seiner schottischen Ehefrau zwei modern ausgestattete Gästehäuser im Stil traditioneller Brochs mit atemberaubendem Blick auf weidende Schafe und die Summer Isles. Der 73-Jährige hat viel über seine Wahlheimat zu erzählen. Etwa, dass früher die junge Queen Elizabeth mit ihrer königlichen Jacht Britannia nach Achiltibuie reiste: „Wir haben dann mit ihren Matrosen Fußball gespielt“, sagt er bei einer Tasse Tee und selbst gebackenem Gewürzkuchen.

Schotten dicht!

Seine Erinnerungen an das Leben in Schottland und die Eigenheiten seiner neuen Landsleute hat Luyken 2015 sehr unterhaltsam in dem autobiografischen Buch „Schotten dicht“ niedergeschrieben. Wenn er von der Hauptstadt spricht, sagt er in trockenem Deutsch „Edinburg“, nicht „Edinbra“ mit dem typisch rollenden R, das nur echte Schotten unfallfrei über die Lippen bringen. „Edinburg“ als eingedeutschte Version ist korrekt, bestätigt die Stadtführerin in der Hauptstadt, eine ebenfalls wegen der Liebe ausgewanderte Deutsche.

Dean Village in Edinburgh mit dem Water of Leith im Vordergrund.

Sehenswert: Das alte Edinburgh, einen Spaziergang vom Zentrum entfernt.

Zuerst führt sie ihre Reisegruppe über viele, viele Stufen in die Victoria Street, ein Foto-Hotspot im historischen Zentrum von Edinburgh. Dass sich hier jeden Tag eine Schlange bildet, ist nicht nur den bunten Fassaden, sondern auch Joanne K. Rowling zu verdanken.

Das Café, in dem sie am Manuskript zum ersten Harry-Potter-Teil feilte, lag zwar ein paar Kilometer weiter an der George IV Bridge und wurde 2021 durch ein Feuer beschädigt. In der Victoria Street wurde es jedoch unter demselben Namen (The Elephant House) wieder eröffnet und ist seitdem eine der wichtigsten Pilgerstätten für „Potterheads“. Zudem soll die Straße als Vorlage für die Winkelgasse im Buch gedient haben.

Eine Karte von Schottland mit hervorgehobenen Städten und dem Loch Ness.

Auf der Hauptmeile Royal Mile, die hinaufführt zum Castle, sind sie wieder da: die schottenberockten Bagpiper mit ihren schwermütigen, lauten Melodien.

Doch etwas ist anders: Seit dem Selbstversuch in Glasgow wird man ihre Lieder nie wieder für selbstverständlich nehmen.

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