Auf einer Wiese direkt am Ufer sind mehrere Tische gedeckt, darauf türmt sich Fisch in diversen Variationen, geräuchert, als Salat oder Aufstrich, dazu köstliches, ofenwarmes Brot. Achtzig Kilogramm beträgt die heutige Ausbeute, erzählt Paul stolz. Neben Karpfen waren auch große Hechte in seinem Netz – ein eindrucksvolles Erlebnis für jene, die mit ihm auf dem Boot sein durften. Hier, an der südlichsten Küste Deutschlands, sind Besucher bei vielen bodenständigen Betrieben gern gesehen. Sie erfahren bei Führungen allerlei Wissenswertes, etwa wie der Bodensee als Wärmespeicher den Obstbau begünstigt. Eine von Natur und Geschichte gleichermaßen geprägte Region, die von Österreich mit dem Schiff einfach zu erreichen ist.
Zum Beispiel mit der „Austria“, einem Personendampfer mit rot-weiß-roter Flagge am Heck. Nachdem er Bregenz verlassen hat, steuert er nach kurzer Überfahrt zwischen dem steinernem Bayerischen Löwen und dem Leuchtturm in den Hafen von Lindau, der ersten Station in Deutschland. Straßenmusikanten begrüßen die Ankommenden, die hier von Bord gehen und die Insel erstmals kennenlernen. Ein bezauberndes Altstadtensemble zieht die Blicke sofort auf sich. Das Alte Rathaus ist über und über mit Fresken geschmückt, eine große Sonnenuhr dominiert die Fassade, die von einem markanten Staffelgiebel abgeschlossen wird. Handwerkshäuser mit altem Fachwerk finden sich im Zentrum. Beim runden Diebsturm, einst Teil der Stadtbefestigung, blickt man in Richtung Westen auf den See.
Hoch oben schwebt lautlos ein Zeppelin, der von Friedrichshafen aus zu einem Rundflug gestartet ist. In dieser Hafenstadt, die sich etwa in der Mitte des deutschen Bodenseeufers befindet, wird die Tradition der historischen Luftschiffe aktiv gelebt. Vom Flughafen Friedrichshafen heben regelmäßig Zeppeline ab, um Rundflüge über den Bodensee und das Umland zu unternehmen; natürlich sind sie mit moderner, sicherer Technik ausgestattet.
Sanft steigen die Hügel vom Wasser weg an und präsentieren sich vor allem im Frühjahr in besonderer Pracht. Unzählige Reihen von Obstbäumen tragen ein weißes Kleid, ein wahres Blütenmeer. In Ittendorf, wenige Kilometer vom See entfernt, fährt Christoph Steffelin Gäste mit dem „Obstkistle“, einer Art Bummelbahn, durch seine Apfelplantage und erzählt über Anbau, die Funktion des Bodensees als riesiger Sonnenspiegel und den Beitrag der Obstbäume zur Luftverbesserung. Pro Hektar werden täglich sechzehn Tonnen Kohlendioxid in zehn Tonnen Sauerstoff umgewandelt – allerhand.
Die Rundfahrt endet vor der Obstbrennerei, anfangs nur ein Hobby des Obstbauern, jetzt sein zweites Standbein. In seiner „Besenwirtschaft“ serviert er köstliche „Dinnerle“, wie die Flammkuchen mit verschiedenen Belägen hier heißen, danach werden Obstschnäpse verkostet. Die Produktion von Hochprozentigem ist am Bodensee weit verbreitet. In der Nähe von Ittendorf wird in der modernen Senft-Destillerie, einem Familienbetrieb im besten Sinne, seit zehn Jahren nicht nur Gin hergestellt, sondern überraschenderweise auch Whisky. Natürlich darf auch hier probiert werden.
Von all den Köstlichkeiten leicht benebelt, kommt eine frische Brise gerade recht. Die „Austria“ läuft aus Friedrichshafen aus. Links der weite Blick über den See zu den schneebedeckten Gipfeln der Schweizer Alpen, rechts das Ufer mit seinen blühenden Obstbäumen. Meersburg mit seinem noch immer bewohnten Burgareal am Hügel über dem Hafen ist der letzte Zwischenstopp am Nordufer, dann geht es in den Hafen von Konstanz. Die Passagiere der „Austria“ versuchen allesamt einen guten Platz an Deck zu ergattern, um die Einfahrt in die deutschen Grenzstadt am Südufer des Bodensees nicht zu versäumen.
Ihr Hauptinteresse gilt nicht dem Konzilgebäude, einem frei stehenden, dreigeschossigen Steinbau direkt am Hafen, in dem 1417 das Konklave zur Papstwahl während des Konzils von Konstanz stattgefunden hat. Vielmehr zieht seit dreißig Jahren die Imperia alle Augen auf sich, eine neun Meter hohe Figur an der Hafeneinfahrt, die sich langsam um die eigene Achse dreht. Sie stellt eine Kurtisane dar, die in ihren erhobenen Händen zwei zwergenhaft kleine, nackte Männer trägt; eine satirische Anspielung auf das Konzil von Konstanz.
An den Hafen schließt ein weiter Park mit farbenprächtigen Blumenrabatten an, Bänke am Ufer laden ein, Platz zu nehmen und die Aussicht über den See zu genießen. Was für ein vielseitiges Gewässer, in dem nicht nur Fische zu Prachtexemplaren heranwachsen, sondern das auch den Obstbauern zu reicher Ernte verhilft.
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