
Der unbekannte Westen Berlins: Wo Romy Schneider zu Hause war
Wer heute Berlin sagt, meint meistens die hippen Ost-Bezirke. Dabei lohnt sich ein Besuch des schmucken Westens der Stadt auch sehr – vor allem wegen der Persönlichkeiten und der Geschichte.
Winklerstraße 22, ein schlichtes Mehrparteienhaus im noblen Stadtteil Grunewald, nebenan die Residenz des Botschafters der Vereinigten Arabischen Emirate. Im Haus Nummer 22 wohnte Romy Schneider von 1966 bis 1970 mit ihrem ersten Ehemann Harry Meyen, den sie bei der Eröffnung des Europacenters am Kurfürstendamm kennengelernt hatte. Die Anwohner wissen, dass die berühmte Schauspielerin hier residierte, das Andenken an Romy im Grunewald ist höchst lebendig.
Eineinhalb Kilometer weiter findet sich das schönste Hotel Berlins, das Schlosshotel Grunewald. In der kostbar und edel in Gold und Schwarz gestalteten Halle des Hotels wartet Andreas Schrobitz. Der 35-Jährige ist Vereinsgründer und Vorsitzender von „Romy Schneider – Die Erinnerung verbindet e.V.“ „Romy Schneider machte in Berlin in den Ufa-Ateliers Probeaufnahmen für den Film Wenn der weiße Flieder wieder blüht, das wurde ihr erster Film. In Berlin arbeitete Romy auch an ihrem letzten Film Die Spaziergängerin von Sans Soucis“, erzählt Schrobitz, dessen Leidenschaft für Romy vor fünf Jahren zur Vereinsgründung führte – genau hier im Schlosshotel Berlin, wo vermutlich auch einige Szenen für diesen letzten Film gedreht wurden. „Romy Schneider hat hier auch geheiratet, ihren zweiten Mann, Daniel Biasini, am 18. Dezember 1975. Mutter Magda flog eigens für die Feierlichkeiten ein“, erzählt Andreas Schrobitz. Die glücklichsten Momente waren jene, in denen Romy mit ihrem kleinen Sohn David-Christopher im Kinderwagen am Dianasee und am Königssee im Grunewald flanierte. „Romy Schneider liebte das Leben, sie war eine wahnsinnig wandelbare, facettenreiche Persönlichkeit, im Leben wie im Spiel“, sinniert Schrobitz, der selbst auch Theater spielt und als Theaterpädagoge, Erzieher und angehender Sozialarbeiter mit Jugendlichen arbeitet.

Andreas Schrobitz ist Vereinsgründer des Romy Schneider Vereins in Berlin und weiß viel über die Schauspielerin.
©Andreas SchrobitzIm Schlosshotel Berlin logierten auch andere Stars wie Josephine Baker, Peter Ustinov und Errol Flynn, Hildegard Knef schrieb hier ihre ersten Chansons, die Rolling Stones zerschlugen 1965 während ihres Aufenthaltes wertvolle Vasen und Porzellanfiguren. Durchaus gesittet und würdevoll verhielt sich dagegen die österreichische Fußballmannschaft, die während der EM 2024 das ganze Hotel für sich gebucht hatte. Weniger gesittet: Kaiser Wilhelm II. soll in dem 1912 erbauten Palais eine Liebschaft mit der verheirateten Hausherrin Catalina Roth gepflegt haben.

Die Lobby des Schlosshotels Berlin ist edel. Genau richtig für prominente Gäste.
©Schlosshotel BerlinEinen Spaziergang vom Schlosshotel entfernt liegt das Rathaus Schmargendorf. Hier heiratete Harald Juhnke, der Sunnyboy vom Grunewald, gleich gegenüber liegt der Concept Store Weinmichel, wo man eine Jause vom Feinsten bekommt – duftendes Brot, die besten Croissants von Berlin, Prosciutto, Käse und ein Glas Rosé Chemin de Provence. Nebenan, in Gebauers Tagesbar, gibt es Austern und Champagner. Der Kölner Frank Gebauer hat sich mit dem schicken und gemütlichen Lokal vor einem Jahr seinen Lebenstraum verwirklicht. Nachdem er eine steile Karriere als Manager hingelegt hatte, gab sich der studierte Betriebswirt und gelernte Koch dank der sanft-nachdrücklichen Aufmunterung durch seine Frau Kirstin Benthaus-Gebauer einen Ruck, mietete und renovierte ein Lokal, engagierte den Spitzenkoch Michael Plonsky und schuf eine Gastro-Oase. Die Gebauers sind Österreich-Liebende, sie haben Stil und Schmäh. Das Motto der Tagesbar lautet: „Drink. Eat. Bussi“. Frank Gebauer meint zur Autorin dieser Zeilen: „Eine Österreicherin muss an den Grunewaldsee“, und führt sie in seinem goldenen BMW-Cabrio zum Forsthaus Paulsborn, wo an Sommer-Donnerstagen das Clubbing „We love Thursdays“ den Wald rockt.
Donnerstagsparty
Abendstimmung am Grunewaldsee, über dem die Sonne untergeht. „Ich bin in Berlin geboren und als DJ schon recht viel in Europa herumgekommen“, erzählt Dan Le Blonde, „von den besten Veranstaltungen habe ich das schönste abgeguckt für diese Partyreihe in meiner Heimatstadt.“ Jung und Alt feiert zusammen bei den Donnerstags-Clubbings, wo Le Blonde mit Deep House und chilligen Klängen die Wildschweine im Grunewald erstaunt. Dazu kommen Life Acts, Violine- und Saxofon-Spieler, Sängerinnen und Sänger, zwanzig Wochen im Jahr. „In der Corona-Zeit gingen die ersten Clubbings über die Bühne“, sagt er, „wir beginnen früh, um 18 Uhr, und sind eine Art Klassentreffen, wo auch Mama und Papa ihre Kinder mitbringen. Bis zu tausendfünfhundert Gäste kommen pro Club Abend, denn was gibt es Schöneres, als Open Air zu tanzen?“
Internationale Kollegen stehen dem blonden Turntable-Barden zur Seite, im Laufe der Wochen kristallisiert sich ein Grunewald-Sommerhit heraus. Letztes Jahr war das „Stumblin In“ in der Version von Cyril. Melodisch lautet die Musikvorgabe. „Wir spielen Herz und Bauch an, harte Beats setzen wir nur dezent ein,“ verrät Dan Le Blonde.

An Sommer-Donnerstagen wird am Grunewaldsee Open-Air zu Deep House getanzt. Die Musik ist für „Herz und Bauch“.
©CHLietzmannLiebermanns Seeblick
Anderntags steht ein Wannsee-Besuch am Programm. „Haus am See in verfluchter Nachbarschaft“ könnte ein Immobilien-Inserat für die Liebermann-Villa betitelt sein. In unmittelbarer Nähe des Hauses der Wannsee-Konferenz, wo die Nationalsozialisten ihren Massenmord planten, befindet sich der bunt blühende Garten des Sommerdomizils von Max Liebermann. Der bedeutendste deutsche Impressionist hielt in zweihundert Ölgemälden und zahlreichen Skizzen, Zeichnungen und Druckgrafiken seine Idealversion vom Leben am See fest.
„Viele der Werke sind Restitutionsfälle, die Liebermanns waren Juden und erlitten ein schreckliches Schicksal unter dem nationalsozialistischen Regime“, erzählt Evelyn Wöldicke, Direktorin der Villa. „Max Liebermann ist hier in Berlin so etwas wie ein Nationalheld, er war Kopf der Berliner Sezession und Präsident der Akademie der Künste, hat also auch kunstpolitisch dieses Land bedeutend vorangebracht.“
Es herrschte Aufbruchsstimmung in Berlin, als die Liebermanns an den Wannsee zogen. Vom ehemaligen Speisezimmer ist der Blick über die große Wiese zum Wasser frei. Als das Haus 1910 bezogen wurde, umfasste Liebmanns Familie seine Frau Martha und die Tochter Käthe. 1917 kommt dann die Enkelin Maria hinzu, die viele Sommer mit ihren Großeltern verbringt. Gemälde und Zeichnungen zeugen von der Liebe, mit der Max Liebermann seine Enkelin im Garten spielend beobachtete.

Hier verbrachte der deutsche Impressionist Max Liebermann seine Sommer.
©BENJAMIN MALTRYEvelyn Wöldicke stellt Sven Lieberenz vor. Seit acht Jahren ist er als Gärtner für die siebentausend Quadratmeter Garten zuständig. Dem schlanken und muskulösen Mittvierziger, der einen breitkrempigen Lederhut als Sonnenschutz trägt, gehen über hundert ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zur Hand, die auch mit selbst gezogenem Gemüse entlohnt werden. „Max Liebermann war es wichtig, vom oberen Teil des Gartens den See zu sehen. Die Mittelachse beginnt hier oben mit einer weißen Bank und endet mit den Birken am Wasser.“

Von der Villa hatte Liebermann Ausblick auf den Wannsee – den er immer wieder malte.
©BENJAMIN MALTRYZwischen 2004 und 2006 wurde der Garten, so wie Max Liebermann ihn entworfen hatte, wiederhergestellt, mit rosaroten Tulpen, eine Reminiszenz an Liebermanns geliebtes Holland. In den großen Staudenbeeten blühen Rittersporne und Phlox – viel Blau, weil Blau sich gut malen lässt. Die Beete sind exakt abgezirkelt und von kleinen Kieswegen gesäumt. Ein strahlend weißer Steg führt hinein in das tiefblaue Wasser des Wannsees. Die Birken am Seeufer hatte Liebermann vorgefunden, und er hat entschieden, dass die schlanken Bäume bleiben sollten.
Info
Anreise Klimafreundlich mit dem Nachtzug ab Graz oder Wien. nightjet.com
Unterkunft
Bis die Hotelzimmer im „The Knast“ bezugsfertig sind, ist das Schlosshotel Berlin (Brahmsstraße 10) die Topadresse. Erbaut im Stil der ital. Renaissance, hat es die Zerstörung Berlins unbeschadet überstanden. Von hier lässt sich der Grunewald oder das Zentrum Westberlins rund um den Kurfürstendamm erkunden.
Lukullisches
– Weinmichel (Berkaer Straße): Top-Weine, Accessoires und Leckereien, ideal für Mitbringsel.
– Gebauers Tagesbar (Auguste-Viktoria-Straße): immer neue und köstliche Menüauswahl, aktuell auf gebauers-tagesbar.de
Auskunft visitberlin.de/de
„The Knast“
Ein schaurig-stylishes Ziel lockt weiter hinein in den Südwesten der Hauptstadt. Der findige Unternehmer Joachim Köhrich hat ein ehemaliges Gefängnis in einen Kulturstandort mit Restaurant und Bar verwandelt. „In The Knast kommt man heute zusammen, um fröhlich miteinander zu feiern“, sagt Köhrich und führt durch das um 1900 errichtete Gebäude. „Vorbild waren ähnliche Einrichtungen in Großbritannien, die auf Resozialisierung setzten, auch durch die ästhetische Architektur mit diesen Zellentrakten gestaltet als hohe Galerien.“ Zur Straße hin deutet nichts auf die Funktion als Gefängnis hin, das hätte die bürgerliche Nachbarschaft gestört. Bei der Inbetriebnahme 1906 wurden hier Männer und Frauen untergebracht, die Frauen saßen oft wegen Prostitution ein.

Im Südwesten wird aus einem ehemaligen Gefängnis ein Hotel und Kulturstandort.
©Christina HöffererIn enger Abstimmung mit dem Denkmalschutz restaurierte Joachim Köhrich The Knast. Er ließ den „Berliner Marmor“ freilegen, Wandbemalungen, die aussehen wie Carrara Marmor. Das Dunkelgrün der Zellen- und Gangtüren ist zur dominierenden Farbe für die Gasträume und die Rezeption geworden, denn bald schon sollen die ehemaligen Zellen auch als Hotelzimmer buchbar werden.
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