Warum Charles der König der Herrenmode ist

Markenzeichen: Seidentuch, Krawatte und der Siegelring aus walisischem Gold
Als der legendäre Londoner Herrenschneider Edward Sexton vor einigen Jahren gefragt wurde, wen er unter die bestangezogenen Menschen der Welt wählen wurde, fiel ihm auf Anhieb nur ein Name ein: Prinz Charles. Die Wahl mag überraschen, stand der jetzige König doch modetechnisch sein ganzes Leben im Schatten der glamourösen Windsor-Damen. Mit der nahenden Krönung am 6. Mai rückt nun aber auch sein Stil zunehmend in den Fokus.

Dass dieser eine genauere Betrachtung wert ist, findet auch der Wiener Herrenausstatter Manfred Markowski. „Charles ist ein passionierter Anzugträger und irrsinnig gut angezogen“, sagt der Geschäftsführer von Malowan & Co. „Sein Stil ist zeitlos klassisch, das ist sein oberstes Gebot. Er nimmt überhaupt keinen Bezug auf den gegenwärtigen Mainstream wie kurze oder zu enge Sakkos.“
Lang lebe der Schuh
Stattdessen setzt der 74-Jährige seit Jahrzehnten auf dieselben Modelle und Traditionsschneider aus der noblen Savile Row, einer Einkaufsstraße in der Londoner Innenstadt (siehe re.). Die meist doppelreihigen Anzüge aus Flanellstoffen in Grau, Beige oder Dunkelblau spiegeln „hohe Schneiderkunst“ wider, sagt Markowski. „Charles trägt entweder das klassische Prince-of-Wales-Karo oder ganz feinen Nadelstreif – nicht zu sehr im Stil der Mafiabosse.“
Anzüge
kauft der Monarch in der legendären Savile Row im Londoner Stadtteil Mayfair – bevorzugt bei den Traditionsschneidern Anderson & Sheppard und Gieves & Hawkes
Hemden
werden vom 1885 gegründeten Label Turnbull & Asser angefertigt
Schuhe
Beim Schuhmacher und Hoflieferanten John Lobb ließ sich Charles mit 20 Jahren sein erstes Paar machen. Manche seiner „Lobbs“ trägt er seit mehr als 40 Jahren
34 Jahre alt
war der graue Cutaway, den Charles 2018 bei der Hochzeit seines Sohnes Harry und Meghan Markle trug. Und damit genauso alt wie der Bräutigam
Die „Bespoke-Anzüge“ – so heißen sie, weil ihre Passform direkt am Kunden „besprochen“ wurde – besitzt der Umweltschützer teilweise seit Jahrzehnten. Er gilt als großer Förderer von lokalem Handwerk und Slow Fashion. „Ich hasse es, etwas wegzuwerfen“, bekannte Charles 2020 in einem seiner raren Interviews mit der britischen Vogue und erzählte, dass er seine Kleidung lieber repariere, als leichtfertig wegzugeben. In Japan werben Schuhmacher neuerdings sogar mit dem so genannten „Charles Patch“, einer speziellen Methode, alte Lederschuhe zu flicken – wie es der King höchstpersönlich vormacht.

Britischer Gentleman: Über die Jahrzehnte blieb Charles seinem Stil treu

Traditionell: Die Kilts unterstreichen des Königs Liebe zu Schottland
Krawatten-Humor
Schon bald haben „Royal Watcher“ wieder die Gelegenheit, jedes Detail der königlichen Garderobe unter die Lupe zu nehmen. Ende März werden Charles und Königin Camilla ihren ersten Staatsbesuch absolvieren und nach Paris und Berlin reisen, gab der Palast diese Woche bekannt. Dabei könnte sich auch ein Blick auf die Krawatte(n) lohnen, die Charles – ähnlich wie Queen Elizabeth ihre Hüte – als Spielwiese für seinen berühmten trockenen Humor benutzt. Als Anfang Jänner die Skandalbiografie seines Sohnes Harry erschien, trug er beim Kirchgang in Sandringham einen rosa Binder mit kleinen Dinosauriern. Auch so kann man das Volk in turbulenten Zeiten bei Laune halten.

Der König grüßt Soldaten - mit Tierchen-Krawatte
Viel mehr textile Exzentrik sollte man sich von dem royalen Fashion-Influencer aber nicht erwarten. „Keine Extreme anpeilen, erkennen, was einem passt, und dabei bleiben – das können wir in modischer Hinsicht von King Charles lernen“, findet Herrenmodeexperte Markowski. Und hält fest: „Die Leitlinie eines gut angezogenen Menschen ist die Kontinuität.“
Ob sich Charles’ Modestil als gekrönter König ändern wird? Die Vorstellung ringt Markowski ein Lachen ab. „Ganz sicher nicht.“
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