Der eigene Weg ist das Ziel

Eine Artistin knapp unter der Bühnen-Decke und dabei über das Zirkus-„Dach“ rausragend. Mit Beginn der Show und mehr Licht auf die Bühne entpuppt sich das symbolisierte Zirkuszelt als Teil eines überdimensionalen Kleides, in dessen Oberteil die Artistin mit ihren akrobatischen Kunststücken beginnt. Und einem Dialog mit einer Stimme aus dem Off von wegen schön langsam ins Kleid wachsen, weil dem Mädchen die runden Formen wachsen...

„Marie hängt in der Luft“ thematisiert die noch immer vorhandenen, oder vielleicht sogar „dank“ diverser TV-Showformaten à la Next-Top-Model wieder massiveren, „Anforderungen“ an Mädchen und Frauen wie sie auszuschauen oder zu sein haben – mit den Mitteln von Zirkus-Kunststücken – von der Seilartistik über (vor allem sehenswerte Fuß-)Jonglage bis zur Stimm-Akrobatik. Die Solo-Darstellerin Ruth Biller ist auch im wirklichen Leben Zirkusartistin, allerdings eine spätberufene. Schon mit acht Jahren wollte sie nach dem Besuch eines Programmes des Cirque du Soleil Zirkusartistin werden. Das ginge nicht, hörte sei, „weil du nicht aus einer Zirkusfamilie bist“, obwohl es damals schon seit einigen Jahren in Wien den Kinder- und Jugend „Circus Kaos“ gab. So studierte sie später in Berlin und der Schweiz Akrobatik, Artistik und Bewegungstheater.
Weite, die beengt

Die Befreiung aus der Weite des Kleid-Oberteils, die als Anforderung mehr als beengend wirkt, erfolgt in sehenswerter Seil-Akrobatik – verschlungenen Bewegungen wie sie aus dem Zirkus eher von Strapaten (Tuch-Akrobatik) bekannt sind. Dabei turnt sich die Artistin nicht geradewegs nach unten, sondern dazwischen immer wieder auch ein bisschen nach oben – so als wolle sie nicht so schnell auf dem Boden (der Realität?) landen (müssen).
Unten angelangt, verkriecht sie sich bald unter einem durch eine Art Fön zum wabernden Etwas verwandelten weißen Tuch, unter dem sie ihre Bewegungs-Kunststücke vollführt. Doch irgendwann wagt sie den Schritt aus der Deckung und beginnt zu jonglieren – erst nur mit den Händen. Aus dem Off: „Da war schon viel Schönes dabei, aber kannst du das auch mit mehr Bällen...“ Ja – und doch wiederum nicht so besonders überzeugend.
Nein sagen lernen

Erst als sie dazu „Nein“ sagt und versucht, ihr Ding zu finden, gelingt der Artistin Überzeugendes – auf dem Rücken liegend zwischen Füßen und Händen die Bälle hin und her zu jonglieren. Oder einfach mit starker Atmung den Ball über den Bauch rauf und runter rollen lässt. Nicht zuletzt begeistern ihre teils auch witzigen „Tricks“ mit einem hölzernen Sessel wunderbar.
Noch Überzeugender wäre die beabsichtigte Botschaft, sich frei zu machen von allen möglichen Vorgaben und den eigenen Weg zu suchen und finden, gewesen, wenn es sich genau „nur“ aus diesem Spiel ergeben hätte und nicht die eine oder andere eher aufgesetzt belehrend wirkende An- und Vorgabe aus dem Off gegeben hätte.
Marie hängt in der Luft Zirkus Momomento Akrobatik/Bewegungstheater, ca. eine Stunde ; ab 9 Jahren
Konzept, Darstellerin: Ruth Biller Regie: Tanja Witzmann Ausstattung: Bianca Fladerer Musik: Thomas J. Aichinger
Wann & wo? Bis 28. Jänner Dschungel Wien, 1070, MuseumsQuartier Telefon: (01) 522 07 20-20www.dschungelwien.at
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