Wege zu gerechteren Noten

Miriam Holzer
Schularbeiten in Sprachfächern sollten künftig anonymisiert und von Prüfungskommissionen aus zwei Lehrkräften benotet werden - schlägt das jüngste Jugendparlament Anfang Mai 2013 vor.

Ungerechte Benotung - wer hat das nicht schon leid- oder mitunter auch freudvoll (wenngleich dann vielleicht mit schlechtem Gewissen) in der Schule erlebt. Runtergetragen, weil dich die Lehrkraft nicht leiden kann oder bevorzugt, weil…
Vor diesem Hintergrund diskutierten rund 90 Jugendliche aus vier Klassen dreier Vorarlberger Schulen (Polytechnische Schule Dornbirn, BG Lustenau und HLW Rankweil) beim jüngsten Jugendparlament einen (fiktiven) Gesetzesentwurf zur anonymisierten Beurteilung von Schularbeiten durch Prüfungskommissionen. Ersten würden dadurch die schriftlichen Arbeiten nicht mehr den einzelnen Schüler_innen zugeordnet werden und zweitens ja nicht durch die Klassenlehrer_innen beurteilt. So die Vorlage, die einen Tag lang vom Jugendparlament in vier Fraktionen (weiß, gelb, türkis, lila/violett), mehreren Ausschuss-Sitzungen (mit Vertreter_innen der genannten Parteien) und zuletzt im Plenum von allen Jüngst-Abgeordneten für einen Tag diskutiert und beraten wurden.

Diskussionen und Verhandlungen

Wege zu gerechteren Noten
Die Abgeordneten von violett standen dem Vorschlag anfangs sehr skeptisch gegenüber. Selbst wenn Schularbeiten am Computer geschrieben werden, wüssten Lehrkräfte doch relativ leicht aufgrund verschiedener Formulierungen, welche Arbeit wem zugeordnet werden könnte. Die drei anderen Fraktionen fanden die Intention des Gesetzesentwurfs von Anfang an positiv, hatten jedoch Bedenken was die Umsetzbarkeit betrifft (Weiß), hielten die Regelung nicht für alle Fächer für sinnvoll (Gelb, beispielsweise nicht in Mathe, wo Beispiele nur falsch oder richtig sein könnten), oder wollten Veränderungen (Türkis, weil Klassenlehrer_innen durchaus auch im Interesse von Schüler_innen besondere Situationen wie familiäre Schicksalsschläge berücksichtigen könnten).

Nach der Mittagspause setzte hektische Betriebsamkeit ein, Abgeordnete wurden zwischen den Fraktionen hin und her gesandt, um Koalitionsverhandlungen zu führen und gemeinsame Anträge zustande zu bringen. Weiß und Gelb fanden rasch zueinander, in der zweiten Ausschuss-Sitzung schloss sich Violett dann den beiden an und unterstützte deren Abänderungsantrag an. Demnach sollen Schularbeiten in den Sprach-fächern künftig in Form eines Zahlen-Buchstaben-Codes anonymisiert und durch eine Prüfungskommission beurteilt werden. Türkis blieb mit seiner Ergänzung, der/die Klassenlehrer_in sollte ein letztes Wort haben, allein.

Kein Klubzwang!

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Doch so starr wie bei den „Großen“ ging’s im Jugendparlament gar nicht zu – in der abschließenden Plenardebatte wurden auch Redner_innen anderer Fraktionen, die andere Positionen vertraten beklatscht und bei den Abstimmungen herrschte kein Klubzwang, mehrmals – es gab auch einige Entschließungsanträge – stimmten Jüngstabgeordnete sozusagen entgegen der Parteilinie ab.

Soziale Kompetenz statt Betragensnote

Neben dem besagten Anonymisierungs-Gesetz beschloss die Vollversammlung Anregungen, wie Schularbeitsnoten nur mehr zu 40 Prozent in die Zeugnisnote einfließen zu lassen, dafür Kompetenzen wie Aufmerksamkeit, Ausdauer, Selbstständigkeit, Leistungsbereitschaft und Präsentation als weitere Kriterien für die Notengebung heranzuziehen. Außerdem sollte die Betragensnote in eine für „soziale Kompetenz“ umgewandelt werden.

Reporter_innen

Wege zu gerechteren Noten
Die Jugendlichen aus Vorarlberg berieten aber nicht nur die Gesetzesvorlage, lernten den Ablauf von Fraktions- Ausschuss- und Plenarsitzung kennen und blickten damit ein wenig hinter die Kulissen des parlamentarischen Alltags, wie immer stürzten sich einige auch in die mediale Berichterstattung. Einige arbeiteten bei der Parlamentskorrespondenz mit, um dort Aussendungen mit zu verfassen. Andere schrieben und gestalteten Zeitungsbeiträge – die Sondernummer der „Demokratie-Werkstatt“-Zeitung wurde am Ende schon verteilt. Eine dritte Gruppe führte Interviews mit Mikrophon – für ein Video über diesen Tag.

Die 15-jährige Julia Pirker aus der HLW Rankweil fasst dabei ein besonderes Interview aus, eines, das ihr anfangs sogar Knieschlottern bereitete, „ein bisschen nervös war ich schon, immerhin kennt man sie (Barbara Prammer, die Nationalratspräsidentin) ja aus dem Fernsehen., „aber es hat voll Spaß gemacht, weil es ein ganz angenehme Gespräch war“, meint danach die schon lange an Medien interessierte Schülerin. „Ich hab in der Unterstufe schon bei der Schülerzeitung mitgemacht und ich da in die Rolle einer richtigen Reporterin schlüpfen konnte.“ Anfangs sei ihr die Entscheidung, ob Abgeordnete oder Journalistin nicht ganz leicht gefallen, „aber dann war ich doch sehr froh, weil die Arbeit der Abgeordneten haben wir durch unsere Reportagen und Interviews auch kennen lernen können und die Hintergründe, wie’s im echten Parlamentsleben zugeht. Es war echt voll cool!“

Weiteres übers Jugendparlament:
www.reininsparlament.at

www.onlinearchive.at/jugendparlament

https://www.facebook.com/demokratiewebstatt?fref=ts

Diskussion dazu im Beitrag in der Facebookgruppe Bildung ist Zukunft

Einer der Fachleute, die den Jüngstabgeordneten zur Verfügung standen war der Schulsprecher des BG Bludenz, Maximilian Ponader. Er hatte im Zuge der Diskussionen um die standardisierte, kompetenzorientierte neue (Zentral-)Matura dieses Zahlen-Buchstabenkombination als Form der Anonymisierung im Vorarlberger SchülerInnenparlament ausgearbeitet und auch vorgeschlagen, es pilothaft in ein bis zwei Klassen einmal auszuprobieren. Sicher wäre objekte Beurteilung immer schwer umsetzbar, diese Form der Anonymisierung könne einen großen Beitrag dazu leisten. Einen anderen Lichtblick in diesem Bereich sehe er im Teamteaching in den Neuen Mittelschulen, wo es auch dazu komme, dass die Lehrenden eher zu Trainer_innen würden und die Beurteilung durch andere Lehrkräfte erfolgen könne.

Im Gespräch mit dem (Kinder-)KURIER nennt er als weitere Vorschläge des „Ländle“ Parlaments der Schülerinnen und Schüler unter anderem die Einführung des Faches politische Bildung. Dass Jugendliche politisch zu interessieren seien, zeigt nicht zuletzt das Engagement beim Jugendparlament und schon in der Bewerbung der Klassen dafür. Aber es müssten eben viel mehr Schüler_innen solche und andere Möglichkeiten erhalten.

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„Voll cool“, fand Julia Schelling, die in der abschließenden Plenardebatte auch als Berichterstatterin in Erscheinung trat, den tag gegenüber dem Kinder-KURIER. Was denn so cool (gewesen) sei? „Dass wir das Parlament von der anderen Seite kennen lernen konnten, selber einen Gesetzesantrag diskutieren durften.“

In der Mittagspause, als die Verhandlungen über Kompromissanträge noch offen waren, argumentierten die Türkis-Abgeordneten Philip Klien und Matthias Eggarter noch intensiv für die Benotung durch zwei Lehrkräfte mit einer Letztentscheidung durch die Klassenlehrkraft.

Johannes Schertler von den Weißen hofft da noch auf einen Beschluss für eine komplett anonymisierte Benotung durch eine Prüfungskommission.

Die Runde von Lila-Abgeordneten aus der Polytechnischen Schule Dornbirn meint zu diesem Zeitpunkt, „Anonymität sei unnötig, weil so wie’s ist, ist’s eh gut“, ergänzend meinen Florian Ereš, David Schnellrieder, Michelle Baniček, Marina Čazimović, Nadica Krstić, Zeynep Kazar und Violetta Davydova allesamt nur gute Erfahrungen mit Lehrkräften und Noten gemacht zu haben. Den Tag als junge Abgeordnete hätten sie sich hingegen viel anstrengender vorgestellt, „so ist es gut, zu erleben, wie es echt im Parlament abläuft“.

Es geht auch ganz ohne Noten

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Laura-Sol Koschier
In der Plenardebatte brachte Laura-Sol Koschier(Weiß) einen – leider viel zu wenig beachteten – Gesichtspunkt in die Diskussion, Noten in ihrer jetzigen Form als solches in Frage zu stellen. Sie selbst habe in einer Montessori-Volksschule erlebt, „dass man auch ganz ohne Noten lernt“. Sie habe sich zwar, so meint sie im Gespräch mit dem Kinder-KURIER, „schon richtig gefreut, dass ich im Gymnasium endlich Noten kriege, aber im Nachhinein muss ich sagen, dem Lernen ist es nicht sehr förderlich, du beginnst dann nur mehr für Tests und Schularbeiten zu lernen und nicht mehr so sehr, wie wir’s in der Montessori-Schule gemacht haben, sehr selbstständig für dich selber und an der Sache interessiert.“

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