Selbst eine Super-App erfüllt nicht alle Wünsche

Eine Gruppe von Menschen mit Behinderung tanzt auf einer Bühne vor einer Leinwand mit dem Titel „Geografie“.
Mehr als 100 Kinder und Jugendliche tanzen mit Profis "Aladins Erkenntnis" im Wiener Theater Akzent.

Rund zwei Stunden reist Aladin – und mit ihm das Publikum im Theater Akzent (Wien) von einer Schulklasse bis zur selben Klasse. Start ist mit dem Thema Erde in der Geografie-Stunde von Frau Prof. Streng. Schüler Aladin fährt darauf ab, sie sinnlich, körperlich und gebärdend darzustellen, Mitschülerin Isabella ratterte viele Zahlen und Fakten über unseren Heimatplaneten runter.

Wish-App

Auf einer Bühne stehen zwei Männer in Kostümen vor einer Gruppe von Tänzern.

Aladin wird mit seiner Darstellung eher an den Rand gedrängt, via Fotos und Posts in sozialen Netzwerken lächerlich gemacht. Da fliegt ihm ein Zauberding zu – ein Super-SmartPhone mit einer Wunsch-App. Wischen bis das Symbol einer goldenen „Wunderlampe“ auftaucht. Aktiviert Aladin diese, taucht der Dschinn, der Zaubergeist, aus der orientalischen Märchenwelt von „Tausend und einer Nacht“ auf.

Ob Aladin nun Lehrer werden will, gern Essen ohne Ende oder Reichtum zum Geldschein-Verstreuen hätte, fliegen will – sogar durchs Weltall bis zu einem anderen Planeten ... Prompt geht der jeweilige Wunsch in Erfüllung. Meistens. In der dem Wunsch folgenden Szene spielen und tanzen immer andere Gruppen junger Tänzer_innen – Vielfraße, feine Gäste eines noblen Balls, einer ausgeflippten Party, Aufziehpuppen auf einem fernen Planeten ...

Kids und Profis

Eine Gruppe von Tänzern führt eine Choreografie auf einer Bühne auf.

Die jungen Tänzerinnen und Tänzer erlernten ihre Bewegungen in Kursen der „Ich bin O.K.“-Tanzstudios, der „Ich bin O.K. Dance Company“; kommen aus Partnerinstitutionen wie dem Gymnasium Theresianum ( Wien); der Gruppe Bellarina Dance Performance (Eichgraben, NÖ), der Vitalakademie Wien sowie vom Konservatorium Wien.

Aladin wird abwechselnd von Alex Stuchlik bzw. Mike Brozek von den „Ich bin O.K.“-Tanzstudios gespielt. Den Zaubergeist Dschinn spielt und singt Johnny K. Palmer, professioneller Hip-Hop-Tänzer und Musiker. Vor fast einem Jahrzehnt war er in der Starmania-Band „jetzt anders!“ Kollege von Conchita Wursts alter Ego Tom Neuwirth.

Die verschiedenen Gruppen erarbeiteten ihre Szenen auch weitgehend selbst, womit sich nicht nur eine abwechslungsreiche Szenenfolge, sondern auch eine große Vielfalt der Darstellung vom Rollstuhltanz bis zu tänzerisch schwebenden Vöglein ergibt – inklusiv, egal ob und welche Behinderung oder keine die Tanzenden haben.

Grenzen

Eine Gruppe von Darstellern führt ein Theaterstück auf einer Bühne auf.

Allerdings stößt auch der Dschinn an Grenzen seines Zaubers. Aladin muss draufkommen, so wie nicht alles käuflich zu erwerben ist, so kann weder eine App noch ein Geist alles herbeizaubern. Gefühle wie Freundschaft oder Liebe, Selbstvertrauen, aber auch (innere) Freiheit, Wissen gilt es selbst zu erarbeiten. Eben seine Erkenntnis, die er am Schluss kreativ in einem bunten Bild malerisch umsetzt.

Eine Gruppe von Menschen tanzt auf einer Bühne vor einer Leinwand mit der Aufschrift „Geografie“.
Tanzen bis Aladin zu seiner Erkenntnis kommt

Nach der offiziellen Premieren-Vorstellung sprach der Kinder-KURIER mit vier der rund 110 jungen Darsteller_innen: Laura Scheifler (12), Anna-Sophie Hoch (16), Antonia Schöny (10) und Victoria Hornaceck (8).

Seit vielen Jahren sind die beiden Erstgenannten schon bei Produktionen des Vereins „Ich bin O.K.“ dabei. Für die beiden anderen aus dem niederösterreichischen Eichgraben, die als Gasttänzerinnen des Vereins „Bellarina“ zum Aladin-Stück gestoßen sind, ist es in so großem Rahmen eine neue Erfahrung. „Mit unserer Gruppe haben wir schon auch Aufführungen gehabt, aber nicht in so einem großen Theater.“

Spaß, Freundschaften

Zwei junge Tänzerinnen sitzen auf einer Bühne und bereiten sich auf ihren Auftritt vor.

Laura Scheifler verbindet mit den Kursen und proben in den Tanzstudios „viel Spaß und viele verschiedene Freundinnen und Freunde hab ich da gewonnen. Wer ist schon normal? Perfekt ist sowieso niemand und ich find’s auch nicht richtig, jemanden als behindert zu beschimpfen, wie mir das manches Mal in der Schule passiert. Aber“, so sprudelt sie drauflos, „ich hab da eine gute Antwort: Wenn wer zu mir sagt: „Du bist behindert“, sag ich zurück: „ich kann nix für meine Behinderung, du aber schon für deine Dummheit!“

Du schaffst es!

An ihre erste Tanzaufführung kann sie sich noch erinnern, „vor allem daran, dass mir alle immer gesagt haben: „Du schaffst es!“ So lange bis ich selbst auch daran geglaubt habe, und so ist es auch heute noch. Bei Aladin hab ich natürlich vor dem ersten Auftritt schon ein bisschen Angst gehabt. Aber dann stell ich mir immer unser Stück vor, das wir tanzen und spielen und summ mir das Lied vor. Aber auch beim Lernen für die Schule funktioniert das gut, selbst wenn was schwierig ist wie vor Tests. Ich lern und dann sag ich mir immer vor, dass ich das schaff. Und es klappt.“

Anna-Sophie Hoch (16) „ist seit ungefähr zehn Jahren dabei. Schon als ich recht klein war, hab ich bei „ich bin O.K. getanzt“ Es ist so toll, weil sich alle freuen, dass du mitmachst und das freut mich dann auch. Und ich hab da gute Freundinnen und Freunde gefunden.“

Antonia Schöny (10) gesteht, dass sie „am Anfang schon ziemlich aufgeregt war. Aber ich wollte ja auftreten. Und manchmal auch wieder nicht, weil’s mir ein bisschen Angst gemacht hat. Aber dann hab ich mir gedacht: „Du schaffst das!“ Und dann hab ich bei der allerersten Aufführung schon Angst gehabt, aber als die gut gegangen ist, war die bei der zweiten Aufführung jetzt weg.“

Die achtjährige Victoria Hornaceck hatte „am Anfang großes Lampenfieber“ aber auch ihr hat „geholfen, dass mir viele gesagt haben, dass ich das schon schaffe. Außerdem geh ich seit zwei Jahren in Ballett und da sind wir Aufführungen schon auch gewohnt.“

Herausforderung

Eine Gruppe von Kindern und ein Mann sitzen auf einer Bühne während einer Aufführung.

Trotz dieser Leichtigkeit, die alle vier vermitteln, meinen sie mehr oder minder auf Nachfrage, „dass es nicht ganz leicht war, das alles zu lernen. Du musst gleichzeitig die Bewegungen können, auf die Musik hören und ihren Takt einhalten. Das Thema deines Teils sollst du natürlich auch wissen und kennen“, schildert die redegewandte Laura Scheifler. „Es war oder ist schon ein bisschen schwierig, aber eine Herausforderung und ich liebe Herausforderungen!“

Victoria Hornaceck ergänzte noch: „Nach den vielen Proben haben wir uns dann aber echt schon darauf gefreut, endlich auf der Bühne zu zeigen, was wir gelernt haben.“

Mit und ohne Noten

Eine Gruppe von Darstellern auf einer Bühne vor einer Uhr und dem Datum 10.10.2103.

In ihrer (Wiener) Mittelschule gefällt Laura Laura Scheifler am meisten „mit Freundinnen zu spielen und Späße zu machen“, Victoria Hornaceck mag in der Volksschule Eichgraben Turnen am liebsten. Das begeistert auch Anna-Sophie Hoch in der Hans-Radl-Schule (Wien) am meisten, „aber ich mag auch gern Deutsch, Mathe und Hausübungen“. Letzteres verwundert ihre Kolleginne, weshalb die 16-Jährige noch erläuternd ergänzt: „ich mag ja gute Noten haben und deswegen mag ich auch meine Hausübungen machen“. Antonia Schöny besucht in Eichgraben eine Alternativschule “, die sich stark an die Pädagogik Maria Montessoris anlehnt: „Ohne Noten und ohne Hausübungen. Am meisten mag ich Stillübungen und Spiele, eines geht zum Beispiel so: Es ist ganz dunkel und in einer Schale gehen wir barfuß im Wasser.“

Wilde Kerle

Eine junge Frau im Rollstuhl nimmt an einer Tanzaufführung mit anderen Tänzern auf einer Bühne teil.

Außerhalb der Schule und neben dem Tanzen lieben alle vier „Filme“, aber doch sehr verschiedene. Während Antonia Schöny „eher auf Vampirfilme steht, aber auch auf Hanni und Nanni“, begeistert sich Victoria Hornaceck für „Fußballfilme wie die Wilden Kerle – alle Teile“ und schon schießt sie los mit der Schilderung einzelner Szenen und Figuren.

Daneben „mag ich Spiele, malen, singen – das befreit so richtig meine Seele“ (Laura Scheifler), bin ich gern im Garten, draußen füllt mir dann immer auch ein, was ich sonst noch machen könnte (Anna-Sophie Hoch), „bastel ich gern, ich hab auch ein Meerschweinchen und außerdem spiel ich gern Schlagzeug“ (Victoria Hornaceck).

Auf einer Bühne tanzen ein Mann und eine Frau, während andere im Hintergrund stehen.

Aladins Erkenntnis“Produktion des „ICH BIN O.K.“- TanzstudiosZeitgenössisches Tanztheater für Publikum ab 8 JahrenDauer: ca. 120 Minuten

Gesang, Erzählung (Dschinn), Liedertexte: Johnny K. Palmer Aladin: Alex Stuchlik /Mike Brozek (abwechselnd)

Darsteller_innen der einzelnen Szenen: 110 Tänzer_innen (alle Namen auf der Vereins-Homepage, siehe Link ganz unten) des „Ich bin O.K. Tanzstudios“ und der „Ich bin O.K. Dance Company“ sowiei Schüler_innen des Gymnasiums Theresianum/Wien; Bellarina Dance Performance (Eichgraben, NÖ); Student_innen der Vitalakademie Wien und des Konservatoriums Wien.

Choreographie: Tanzpädagog_innen (Maria Dinold, Kirin Espana, Sandra Hermes, Kathi Hofkofler, Luise Knof, Edgar Lliuya, Katharina Senk, Sungard Löschner, Gerhard Schweiger) gemeinsam mit den „Ich bin O.K.“-Tänzer_innen; Hana & Attila Zanin

Musikalisches Konzept: Stefan Voglsinger

Live Musik: „Broken Tree-O“

Inszenierung / Regie: Hana & Attila Zanin

Kostüme: Carmen Little/Karin Oébster (KAYIKO) Bühnenbild: Familie Röper, Jakob Kraus Requisiten: Kristof Kepler Videoeffekte: Albert Pichler

Eine Gruppe von Menschen mit Behinderung tritt auf einer Bühne auf.

Wann & wo?5. Mai, 19 Uhr)Theater Akzent1040 Wien, Theresianumgasse 18Telefon: (01) 501 65www.akzent.at

Kultur- und Bildungsverein der Menschen mit und ohne Behinderung Telefon: (01) 512 43 06www.ichbinok.at/aladins-erkenntnis-fruehjahr-2015/

Eine Gruppe von Darstellern führt ein Theaterstück auf einer Bühne auf.

Der Kultur- und Bildungsverein „Ich bin O.K.“ wurde 1979 von Katalin Zanin gegründet, um Inklusion von Menschen mit und ohne Behinderung zu fördern und soziale Hürden abzubauen. Eine bedeutende Rolle spielt dabei die aktive, gleichberechtigte Teilhabe am kulturellen Leben, wodurch die Einzigartigkeit und Individualität jeder Einzelnen/jedes Einzelnen anerkannt und gefördert wird.

Das bunt gemischte Team aus Tänzer_innen mit und ohne Behinderung zeigt dem Publikum aber nicht nur, wie viel Spaß das Tanzen machen kann und welche herausragenden künstlerischen Leistungen dabei erbracht werden können, es macht auch auf gesellschaftskritische Themen aufmerksam und schafft eine Sensibilisierung für das Thema "Menschen mit Behinderung".

Bei den öffentlichen Tanzauftritten haben alle Beteiligten die gleiche Chance auf Teilnahme und Selbstverwirklichung. Dadurch wird auch die soziale Akzeptanz von künstlerischem und tänzerischem Ausdruck der Menschen mit Behinderung gefördert. „Ich bin O.K.“ möchte die Begeisterung ALLER für Tanz und Theater entfachen und damit zu einer besseren Lebensqualität beitragen.

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