© Foto: Martin Müller

Performance

Von Sicherheit bis Beklemmung

Studierende der Theaterpädagogik und jugendliche Schauspieler_innen spielen Stationen in der Stefan-Zweig-Ausstellung im Theatermuseum (Wien).

von Heinz Wagner

09/01/2014, 04:56 PM

Warum schreiben Sie/schreibst du?“ – Bevor „Mein Leben, welches Leben?“ eine performative Auseinandersetzung mit Stefan Zweig in mehreren Stationen in der Ausstellung im Theatermuseum startet, sammeln die Akteurinnen und Akteure Antworten auf die eingangs zitierte Frage vom Publikum ein. Dann geht’s rein in den Eroica-Saal. Hier wurde die gleichnamige Sinfonie Ludwig van Beethovens uraufgeführt. Wunderschöne Deckengemälde weisen auf die unterschiedlichsten Sparten von Kunst und Kultur hin. Auf dem Boden hingegen liegen während des Beginns der Performance graue, kratzige Felddecken (des österreichischen Bundesheeres).

Perspektivenwechsel

Das Publikum nimmt auf Sesseln an den Seitenrändern Platz. Dazwischen sitzen auch die Studierenden des Instituts angewandtes Theater (IFANT). Unvermittelt beginnen Mono- und Dialoge, eingelernte Diskussionen von einem Ende zum anderen – quer durch den Raum. Ein Brief von Stefan Zweigs Vater an seinen Sohn wird vorgetragen. Der jugendliche Stefan (geboren 1881 in Wien) habe das Glück in einer sicheren Zeit aufzuwachsen, unter wohlhabenden Verhältnissen und dennoch wäre Geld nicht alles und er solle nach höherem streben. Jude zu sein hieße auch Beiträge zu universeller Kunst zu leisten.“

Werte?!

Kunst, Werte - welche, was sei das überhaupt, was sei kleinlich… - wie in einem Ping-Pong-Spiel fliegen die Sätze hin und her. Dem Wechsel von Worten und Gedanken folgen Platzwechsel – auch des Publikums. Und selbst nur räumlich scheinbar kleine Ortswechsel bewirken mitunter beachtliche Veränderungen des Blickwinkels, der Perspektive. (Genaueres sei jetzt hier gar nicht verraten.)

Bruch

Dann der Bruch von der Sicherheit in eine ganz andere Epoche – vom ersten Weltkrieg über Antisemitismus, die Machtergreifung der Nazis, Judenverfolgung bis Auswanderung… erschließen sich bei im Museum verteilten Stationen, die das Publikum in Gruppen durchwandert. Im Hof vor einem großen Bild eines Dampfers mit viel Meer über eine ganze Wand ist natürlich Zweigs Reise nach Nord- und später Südamerika das Thema. In der Mitte des Hofes liegt ein halb aufgerollter Teppich auf einem Holzpodest, der Textstellen auf einem Boden freigibt, in denen u.a. Wörter wie Flucht, Koffer, Jude vorkommen und nun „gefunden“ und zitiert werden – sinnbildlich dafür, was alles verdeckt und genau diesem Versuch entrissen werden soll.

Beklemmend

Die beklemmendste Station ist wohl jene rund um die vielleicht bekannteste Zweig-Geschichte, „Die Schachnovelle“. Auf einem großen Schachbrett steht ein Modell des Hotels Metropol, einem einstigen Luxushotel, das die Nazis zur Zentrale ihrer GEheimen STAatsPOlizei machte. An der Seitenwand einige Ledermäntel im GESTAPO-Stil. Und jene Szene aus Zweigs Novelle, in der sich Dr. B., seit Wochen in Isolationshaft und damit fast in den Wahnsinn getrieben, aus einem Mantel eines seiner Peiniger ein Buch greift. Statt zerstreuender aufmunternder Unterhaltungsliteratur ist es eine Sammlung berühmter Schachpartien. Die lernt er auswendig, was sein geistiges Überleben einigermaßen rettet.

Fast unerträglich

Mit Zitaten über die Unerträglichkeit solcher folternder Haft von links und rechts der Stiegen stehender jugendlicher Schauspielerinnen und Schauspieler geht es in langer Kette mit verschlossenen Augen wieder in den ersten Stock in den Eroica-Saal wo die Studierenden verschlossene Kartonschachteln halten, die jeweils nur mehr oder minder kleine Gucklöcher aufweisen. Nur einzeln können Zuschauer_innen hineinblicken, um Bilder und Objekte wie Handschellen, Blut, zerbrochenes Spiegelglas… zu sehen und nun somit einige auf engsten Raum verdichtete optische Eindrücke zu den zuvor „blind“ vernommenen Folterelementen aufzunehmen.

„Mein Leben, welches Leben?“
Performance durch die Ausstellung „Wir brauchen einen ganz anderen Mut - Stefan Zweig – Abschied von Europa

Leitung: Claudia Bühlmann
Dramaturgie: Friedhelm Roth-Lange
Mitwirkende: Nina Eisner, Kelly Ann Gardener, Judith Haidacher, Linda Haider, Sabine Huetter, Elisabeth Kassal, Rebecca Lirussi, Tina Mittelmeier, Thomas Petznek-Böhm, Maria-Christina Preis, Matthias Rabl, Camilla Reimitz, Eva Maria Wall, Julia Weingartner,
Jugendliche: Klara Howorka, Nicolin Irk, Annemarie Pervan, Elisa Pötz, Lukas Rein, Paul Sautner, Lena Taferner,

Wann & wo?
Schulvorstellung: 4. September, 10 Uhr
Weitere Termine auf Anfrage
Dauer: ca. 80 Minuten
Theatermuseum, 1010, Lobkowitzplatz 2
Telefon: (01) 525 24 346-0
www.ifant.at

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