Stell Dir vor, Du musst einen kleinen Koffer packen...

Stell Dir vor, Dir wird heute gesagt: "In zwei Tagen fährst Du nach London. Mit dem Zug. Zwar mit Hunderten anderen Kindern, aber ohne Eltern, Großeltern, Geschwister…" Und du darfst nur einen kleinen Koffer mitnehmen, ein Handgepäckstück und ein bisschen Geld. Spielzeug darf aber keines ins Gepäck. Alles Wertvolle wird Dir von den uniformierten Beamten weggenommen.

Es ist zwar (noch) nicht Krieg, aber vieles deutet darauf hin. Du und Deine Familie ihr werdet verfolgt, ausgestoßen, Du darfst nicht mehr in die Schule gehen. Einerseits kannst Du in ein Land reisen, wo Du aufgenommen wirst. Von Dir wildfremden Menschen. Nicht nur freundlichen, aber wenigstens bist Du in Sicherheit. Und irgendwie kannst Du das Gefühl nicht los werden, dass Du Deine Verwandten, die Dich übrigens nicht einmal bis zum Bahnsteig begleiten dürfen, vielleicht nie wieder sehen wirst.Warum?Weil es die Herrschenden so wollen, so festgelegt haben, gegen Dich und alle Angehörigen Deines Glaubens/Volkes hetzen.
10.000 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge

Genau das erging rund 10.000 Kindern aus Österreich, Deutschland, der damaligen Tschechoslowakei und Polen so. "Kindertransporte" sicherten ihr Überleben – vom 10. Dezember 1938 bis zum 1. September 1939 (dem Beginn des 2. Weltkrieges). Vor mehr als zehn Jahren begannen die beiden Künstlerinnen Rosie Potter und Patricia Ayre nach solchen ehemaligen "Kindertransport"-Kindern zu suchen und sie darum zu bitten, Originalstücke, die sie damals in ihrem Koffer gehabt hatten für eine Ausstellung zur Verfügung zu stellen. Einen solchen Originalkoffer bekamen sie auch. Legten die jeweils zugeschickten Gegenstände in den Koffer, fotografierten ihn – immer aus der gleichen Perspektive – direkt von oben. Und sie schrieben neben dem Namen auch noch das Alter und den Ort, aus dem die damaligen Kinder – zwischen wenigen Monaten und höchstens 17 Jahren – stammten. Und dazu einen wichtigen (Halb-)Satz aus den Interviews mit diesen mittlerweile alt gewordenen Frauen und Männern. Diesen Satz schrieben sie auch mit der Hand auf eine Postkarte. Dieser dann vergrößerte, auf Folie kopierte und ins Glas über dem Foto gravierte Satz stellt damit jeweils eine Brücke zwischen dem Foto als Erinnerung an die eigene Kindheit und dem dank der Kindertransporte überlebenden älteren Menschen dar.
Nun Dauerausstellung

Die Ausstellung "Für das Kind", die vor einigen Jahren schon im Keller unter dem Theater Hamakom /Theater Nestroyhof zu sehen war, hat nun einen ständigen Platz unter dem Salon/der Galerie BelleArti in Wien-Landstraße gefunden. Auf Anfrage kann sie besichtigt werden – auch von Schulklassen. Und dafür gibt es ein eigenes interaktives Unterrichtsmaterial, um die 23 Bilder und ihre Inhalte zu erkunden.

FÜR DAS KIND– Museum zur Erinnerung
Der Kindertransport zur Rettung jüdischer Kinder nach Großbritannien 1938/39 Eine Ausstellung von Rosie Potter und Patricia Ayre
1030, Radetzkystraße 5/Eingang Pfefferhofgasse 5 Besichtigung nach Vereinbarunginfo@millisegal.at Telefon: (01) 968 72 66
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