Licht ist mehr als „nur“ Augenlicht. Die Organisation Licht für die Welt, seit langem für Augenoperationen in Entwicklungsländern bekannt, unterstützt darüber hinaus vor allem Kinder und Jugendliche mit unterschiedlichsten Behinderungen - Lokalaugenschein in Burkina Faso.
Behinderungen gelten in vielen Teilen der Welt (noch immer) als Strafe höherer Mächte, Betroffene werden eher versteckt – wie das auch bei uns bis vor ein paar Jahrzehnten noch der Fall war. Inklusion ist einer der Bildungsschwerpunkte in Burkina Faso (Westafrika). Der KURIER war Teil einer Mediendelegation, die Ende Februar eine Woche lang Projekte in der Hauptstadt Ouagadougou sowie der Modellregion Garango besuchte.
Nachdem sie mit ihren Geschwistern, Eltern, Tanten und Onkeln gemeinsam Mittag gegessen hat, packt Assana den Stoffsack mit ihren Schulsachen und verlässt die Großfamilienwohnanlage in
Garango mit mehreren runden und eckigen strohbedeckten Häusern aus Lehm. Raus auf die holprige, steinige Sandpiste. Einen Kilometer hat die kleinwüchsige 16-Jährige (ungefähr so groß wie einige ihrer vier- und fünfjährigen Geschwister, Neffen und Nichten) mit sehr weichen Knochen vor sich.
Nach wenigen Metern packt sie aus dem Schulsack ein zweites Paar Flip-Flops aus, bindet sich den Sack mit einem Tuch am Rücken so fest, wie Frauen ihre Babys oder andere Kinder ihre ganz jungen Geschwister. Assana bückt sich nun, steckt ihre Hände ins zweite Paar Sandalen und kraxelt auf allen Vieren davon. So kommt sie schneller und leichter voran.
Bis vor ein paar Jahren konnte sie überhaupt nur liegen. Dann wurde sie von Sozialarbeitern des Zentrums für gemeindenahe Rehabilitation (CBR - community based rehabilitation) entdeckt. Physiotherapeutische Betreuung und regelmäßige Übungen ermöglichten es dem Mädchen, aus der waagrechten Lage zu kommen, erst sitzen zu erlernen und später aufzustehen. Damit kam sie ihrem Herzenswunsch nahe, in die Schule gehen zu können. Seit drei Jahren macht sie das. Und freut sich jeden Tag besonders auf ihr Lieblingsfach Mathematik. Als liebste Freizeitbeschäftigung nennt sie den Reporterinnen und Reportern, die mit Unterstützung von Licht für die Welt speziell Inklusionsprojekte im westafrikanischen Burkina Faso (zu Deutsch: Vaterland der ehrenwerten Menschen) besuchen: „Am liebsten lerne ich für die Schule.“ Was nicht nur ehrlich klingt, sondern wohl auch sein dürfte. Immerhin düst Assana in brütender Mittagshitze auf allen Vieren den holprigen, kurvigen Weg bis sie endlich bei der Schule eintrifft.
... mit denen sie - umringt von den anderen Schüler_innen - spielt
Gemeinsam mit ihren 72 Klassenkameradinnen und -kameraden wird sie am Nachmittag des Medienbesuchs über das Pferd lernen. Davor aber freut sie sich aufs Zusammentreffen mit ihren besten Freundinnen Térèse, Faridata, Renatu und Mariem. Bevor der Unterricht losgeht zeichnet sie mit Hilfe eines Steins mehrere Felder in den sandigen Boden. Der Reihe nach spielen sich die fünf Mädchen durch die Spielfelder – ähnlich unserem Tempelhüpfen.
Geht Assana im Gedränge vor der
Schule mitunter ein wenig unter, so ist sie in der Klasse beim Unterricht auf Augenhöhe dabei. Auch die junge Lehrerin Savadogo, die zwischen den dichtest besetzten Bankreihen hin und her tänzelt, achtet darauf, immer wieder unter all den entgegengereckten hochgestreckten Armen mit den lauten
Rufen „moa, moa, moa“ (für das französische moi/ich) auch Assana dran zu nehmen. Ihre Klasse ist nur eines von vielen Beispielen in der Region
Garango. Sie ist Modellregion für das Schwerpunktprogramm
Inklusion des Bildungsministeriums von
Burkina Faso. Integration von Kindern und Jugendlichen mit
Behinderungen ist noch relatives Neuland, wird aber stark angegangen, wie die im Ministerium zuständige Projektleiterin
Andrea Ouedrago den Medienleuten aus
Österreich versichert.
Das Modellprojekt soll rasch auf alle anderen 12 Provinzen des Landes ausgedehnt werden. Dann wird ein zweiter Schwerpunkt der
Inklusion angegangen, so die engagierte Ministerialbeamtin: „Förderung der regionalen Sprachen – neun große der 60 verschiedenen Sprachen – wie Moore (der Mehrheitsbevölkerung Mossi), Dioula, Fulfulde oder Bissa sollen dann in den
Schulen neben dem alle verbindenden Französisch unterrichtet werden. „Jetzt konzentrieren wir uns aber zunächst darauf, dass alle Kinder, auch die mit
Behinderungen, ein Recht darauf haben, Bildung zu genießen“, setzt
Ouedrago auf einen Stufenplan. Für viele ist das völlig ungewohnt. Teil der Informationsoffensive ist ein Wandertheater, das mit einem Kleinlaster in die Dörfer fährt und ein Stück aufführt, in dem ein junger Schauspieler, der einen Epileptiker mimt. Der erst ausgegrenzt wird und mit Hilfe – ebenfalls diskriminierter Frauen – dann doch in die
Schule gehen darf.
Das war für viele im Dorf Lergo, wo auch
der KURIER der Aufführung beiwohnen durfte neu. Praktisch das ganze Dorf - von ganz jung bis ganz alt - ist auf den Beinen und folgt dem knapp mehr als halbstündigen mit viel Humor gewürztem Stück in der regionalen Sprache Bissa aufmerksam. In Diskussionen danach meinten einige ältere Dorfbewohner dem Sozialarbeiter gegenüber ganz erstaunt, aber dankbar: „Wir haben gar nicht gewusst, dass auch Epileptiker in die
Schule gehen können!“
Die Jugendlichen Alimata, Sila und Djemila, die ungefähr einmal im Jahr ein Stück sehen, zeigten sich vor allem vom Humor der Aufführung angetan. „Am meisten gefallen hat mir aber, dass gezeigt wurde, dass jemand der Epilepsie hat, nicht dumm ist und was lernen kann“, meinte Sila zum KURIER.
Die neunjährige Natifatou, die zur Musik aus dem Handy fröhlich tanzt,...
In der Modellregion des multiethnischen, multireligiösen 17 Millionen Einwohner-Landes (in dem alle friedlich zusammen leben) trifft die Delegation von
Licht für die Welt, der Organisation, die zwar für die vielen kleinen, schnellen
Augenoperationen vor allem Katarakt (grauer Star) bekannt ist, seit Jahren aber ihr Betätigungsfeld auf Unterstützung und Hilfe bei allen Beeinträchtigungen ausgeweitet hat, auf noch eine Reihe von Erfolgsbeispielen. Da ist Amos, der im Rollstuhl erst von einem Bruder und nach der Hälfte des langen holprigen Weges von der Schwester in die
Schule geschoben wird (über ihn wird Thema einen ausführlichen Filmbeitrag bringen). Oder die neunjährige Natifatou, die zur Musik aus dem Handy fröhlich tanzt, die ersten fünf Lebensjahre aber nur getragen werden musste, bevor sie dank Physiotherapie auch auf eigenen Beinen stehen konnte. Emanuel (5) hat da noch einiges vor sich. Er wurde knapp nach seiner Geburt von einer unbekannten Frau im Busch abgelegt, Noeli Oubda, eine Frau, die keine Kinder bekommen konnte, nahm den Kleinen auf. Der „dank“ der Unterversorgung in den ersten mindestens 24 Stunden unter starken Spasmen leidet. Vier Mal in der Woche kommt die mobile Betreuerin Helen in dieses Haus, um mit Emanuel Übungen zu machen bzw. die von der Pflegemutter durchgeführten Programme zu überprüfen und gegebenenfalls zu korrigieren bzw. zu erweitern.
Sie alle werden vielleicht noch getoppt von Bangris Geschichte. Der 24-Jährige betreibt an einer Ecke zur Durchzugs„straße“ im Dorf Moaga einen kleinen Marktstand. Wann immer er Nachschub braucht, setzt er sich auf sein Dreirad, das er mit Handkurbel fortbewegt, fährt zum nächstgelegenen größeren Markt und kauft Waren ein. Bis vor vier Jahren konnte er sich aufgrund einer unbehandelten Knochenhautentzündung praktisch gar nicht bewegen, lag deshalb wund und war ein Häuflein Elend, das noch dazu aufgrund der vielen Eiterwunden nicht gerade gut roch. Durch die ambulante Betreuung und Behandlung konnte er sich zu Beginn seines dritten Lebensjahrzehntes erstmals auch selbst bewegen – sogar aus dem Haus. Als Bangri das möglich war, kam er auf die Idee mit dem Laden. Dafür wurde ihm ein Mikrokredit ermöglicht. Nun kann er sich auch ökonomisch selbst versorgen – und seinen Dorf-Mitbewohner_innen den Weg zum Einkauf deutlich verkürzen.
Den umgekehrten Weg der
Inklusion ging die
Schule Benaja der Vereinigung CEFISE. Die drei ursprünglich als Bildungseinrichtungen für gehörlose Kinder und Jugendliche gegründeten drei
Schulen der Hauptstadt
Ouagadougou nahmen nach und nach auch hörende Kinder dazu auf. Heute hören rund 90 Prozent der mehr als 3500 Schülerinnen und Schüler – und dennoch lernen alle die Gebärdensprache!
Auf engstem Raum und teilweise bei ausfallendem Licht operiert Thérèse Sarli...
… unterstützt derzeit 152 Hilfsprojekte in
Afrika,
Asien,
Lateinamerika und
Südosteuropa. Im Vorjahr wurden 49.834 Operationen am Grauen Star ermöglicht und damit den Betroffenen (wieder) AugenLICHT geschenkt, insgesamt mehr als eine Million Menschen unterstützt. Alle Projekte werden in Kooperation mit lokalen Organisationen und MitarbeiterInnen durchgeführt und wollen vor allem Hilfe zur Selbsthilfe gewähren und achten auf die Integration behinderter Menschen. Rund zwei Drittel des ca. 14,5 Millionen-Budgets kommen aus Spenden (mehr als 100.000 Einzelpersonen), der Rest aus Unterstützung von Projekten durch staatliche Stellen, namentlich durch die EntwicklungsZusammenArbeit der österreichischen Regierung (die in
Afrika vier Schwerpunktländer unterstützt:
Burkina Faso,
Äthiopien,
Uganda und
Mosambik).
Mit einer Spende von 30 Euro ermöglichen Sie eine Augenlicht rettende Operation am Grauen Star. www.lichtfuerdiewelt.at
Der "Lange" in der Mitte ist Oliver Stamm, eins Weltklasse-Beach-Volleyballer, heute Pressemann der Firma Croma, die Medikamente spendet
Der Großteil der Geldspenden an
Licht für die Welt, die rund zwei Drittel des Budgets der Hilfsorganisation ausmachen, kommt von Kleinspender_innen. Es gibt aber auch Firmen die beträchtliche Sachspenden leisten. Für die heimische Pharma-Firma Croma, die unter anderem spezialisiert ist auf Produkte im Bereich der Augenheilkunde, war der ehemalige Weltklasse-Beach-Volleyballspieler (Olympia-Neunter in
Sydney)
Oliver Stamm (Foto) mit in
Burkina Faso. Er betreut die Firma, die im Vorjahr Produkte im Verkaufswert von rund 1,2 Millionen Euro gespendet hat, medienmäßig.
... Vier Mal in der Woche kommt die mobile Betreuerin Helen ...
Mit 25 Euro im Monat verändern Sie die Welt eines Kindes! Als Patin oder Pate ermöglichen Sie einem behinderten Kind in
Afrika gezielte Förderung: Rehabilitation und medizinische Versorgung. Dadurch haben Kinder die Chance, eine
Schule zu besuchen. Aufklärung im Dorf bewirkt, dass Kinder mit
Behinderungen nicht länger ausgeschlossen, sondern integriert werden. Die Licht-für-die-Welt-Kinderpatenschaften kommen allen Patenkindern des von ihnen ausgewählten Schwerpunktlandes (
Burkina Faso,
Äthiopien,
Mosambik) zugute. Stellvertretend für alle werden die Entwicklungsschritte eines „Botschafter“kindes zweimal jährlich an die PatInnen verschickt. Einmal pro Jahr erscheint zusätzlich eine Patenzeitung. www.kinderpate.at
Kontonummer
Spendenkonto: Erste Bank 2566 001 IBAN: AT92 2011 1000 0256 6001 BIC: GIBAATWW
Auf 274.000 km² leben ca. 17,5 Mio. Menschen mit 60 Sprachen. Durchschnittlich werden sie 55,5 Jahre alt. Fast die Hälfte der Bevölkerung lebt unter der Armutsgrenze. Nicht einmal ein Drittel hat Schulbildung genossen. Jetzt beginnen rund vier von fünf Kindern mit der Grundschule. Im ganzen Land gibt es nur 23 AugenärztInnen, davon allein 18 in den beiden großen Städten. Etwa die Hälfte dieser Fachkräfte werden von Licht für die Welt unterstützt.
2008 trat das „Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen“ der UNO in Kraft. Der völkerrechtliche Vertrag hält fest, dass Menschen mit Behinderungen die gleichberechtigte Teilnahme am gesellschaftlichen Leben ermöglicht werden soll. Auf diese UN-Konvention wurde in vielen Begegnungen in Burkina Faso immer wieder hingewiesen.
Standpunkt-Diskussionen Im Rahmen der von KURIER, ORF-Radio und Bildungsministerium laufenden Diskussionsreihe mit Jugendlichen steht unter dem Titel „Hier fehlt noch wer!“ bei den beiden nächsten – in Wien (2. April) und Innsbruck (7. April) - Diversität auf dem Programm. standpunkt@keykontakt.at
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