Mathe bringt Herzen zum Fliegen

Mehrere Kinder malen und gestalten Bilder mit Lebensmitteln auf dem Boden.
Kinderunikunst: Spiel mit Formen und Formeln, Bilder aus Obst und Gemüse und viele andere kreative Ateliers.

Häää? So oder ähnlich könnte vielleicht die Reaktion vieler auf die Überschrift sein. Nach wie vor geht in Österreich die Liebe vieler zu Mathematik eher gegen null als dass sie etwas mit Liebe zu tun haben könnte. Nun, dass die Welt von Zahlen ganz schön spannend, interessant, begeisternd sein kann, vermitteln neben guten Mathe-Lehrer_innen, dem Haus der Mathematik oder dem math.space diesen Sommer Workshops bei der Kinderuni Kunst. In Deutsch Wagram tauchte rund ein Dutzend Jüngststudierender unter dem Titel Imaginary in die Schönheit mathematischer Formeln ein. Wäääh Formeln??? Nun, das Mathematischen Forschungsinstitut Oberwolfach (Deutschland) entwickelte Computerprogramm "übersetzt" Formeln in grafische Gebilde. X, y, und z werden zu nichts anderem als Punkten in einem 3-D-Koordinatensystem. Und schon ergibt x²+y²+z²-1=0 eine Kugel.

Kugel - Stich - Herz

Ein Computerbildschirm zeigt eine rote Kugel in einem mathematischen Programm.
"Aus einer Kugel kam ein Herz/das hatte einen Schmerz" – dies waren die ersten beiden Zeilen eines Gedichtes, das sich Fridolin und Felix aus diesem Workshop einfallen ließen. Gemeinsam mit Lukas "bastelten" sie dann am Computer an der grafischen Umsetzung. Die Formel für die Kugel war ja schon da. Den Schmerz symbolisierten sie mit einem spitzen Kegel. Rund ein Dutzend Kids werkte an der Gestaltung derartiger Bilder an Computern im EDV-Saal der recht neuen, hellen, geräumigen Kombinationsschule (NMS + BORG) in Deutsch Wagram. Nur Tirol – das später auch in dem Gedicht vorkommt "haben wir einfach am Computer in einer Österreichlandkarte mit der Maus gezeichnet", erzählt und zeigt Moe dem Kinder-KURIER.

Musik, Töne, Geräusche

Drei Jugendliche arbeiten mit einem Mischpult, einem Mikrofon und einem Laptop an einem Musikprojekt.
Während die einen hier mit Formen und Formeln spielen, durch Veränderung der Werte die Figuren größer und kleiner machen, sie kopieren und sie in Bewegung setzen (aus den animierten Teilen wird ein Video), arbeiten Tibor, Cornelia und David in einem zweiten Raum mit Keyboard, Mikro, Computer am Ton für den vierten Reim: "Daheim legt es (das Herz) sich ins Bett/dann wurde es dick und fett". Das Heimkommen wollen sie akustisch mit einer quietschenden, knarrenden Tür erzeugen. Als sie gerade darüber grübeln, wackelt ihr Betreuer mit auf seinem Sessel hin und her. "Das ist es", sind sich in dem Moment alle gleichzeitig einig. Also mehrfach dieses Geräusch mit dem Mikro aufnehmen und dann mit Hilfe eines Audio-Schnittprogrammes damit herumspielen – die Reihenfolge lassen oder einzelne Blöcke verschieben, verlängern, verstärken, abschwächen…

Fotos von Imaginary findest du hier in dieser Bilderstrecke!

Drei Jugendliche stehen zusammen, ein Mädchen hält einen orangefarbenen Becher in den Händen.
Das Spiel mit Forme(l)n...
...findet in einem anderen Workshop mit ganz anderen Mitteln. Auf der Bühne des Theaters Narrenschloss improvisierten und probten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Workshops „Die scheinbare Welt“ eine ganze Woche lang an einem Stück. Albert, so eine der Hauptfiguren, wird von heftigen Fieberträumen geplagt. Dabei fantasiert er – Formeln. Die medizinische „Diagnose: Mathematik“. Eine gar furchterregende Lehrerin, umwerfend gespielt von Thiri, jagt allen Angst ein. Allen?
Nein, Erika nicht. Sie kennt sich aus, weiß die erfragte Formel. Und sie und Albert … - ja eine Liebesgeschichte muss auch her. Denn ein Herz spielt – wie im Gedicht, das in Deutsch-Wagram entstanden ist – eine große Rolle.

Lichtdesign

Theo, der den Albert spielt, zieht’s auch im richtigen Leben zum Theater. Eine seiner Schwestern studiert Schauspiel, eine andere Bühnenbild „und ich will Lichtdesigner werden“, vertraut er dem Kinder-KURIER an. „Ich geh in eine Waldorfschule, da machen wir viel mit Theater, ich hab auch zwei Scheinwerfer und eine Nebelmaschine.“ Laura, die Erika-Darstellerin, ist auch vom Bühnen-„Virus“ angesteckt, „aber ich liebe verrückte Rollen. Die sind viel lustiger als so normale Leute zu spielen“, weshalb sie von ihrer Rolle nicht ganz so angetan ist.

Ein blondes Mädchen mit einem Steckenpferd im Flur.
„Über Stock und Stein“ ...
... – wer denkt da nicht an Pferde. Nach diesem Workshop hatte jedes Kind sein eigenes – mit Stecken. Ebenfalls in der Uni für Angewandte Kunst werkten viele Mädchen – und ein paar Buben – an fantasievollen Steckenpferden – mit banalem Ausgangsmaterial – Socken. „Die haben wir mit Schaumstoffschnipsel gefüllt“, verrät Marlene das Material, mit dem sie die Stutzen füllten, die den weichen Kopf ergeben. Aus bunten Stoffbändern, glitzernden Streifen oder gar bunten Federn und allem möglichen anderen „zauberten“ Julia, Maximilian, die schon genannte Marlene, Emese, Gyula, Teresa, Delila, Anouk und Fanke ihre Fantasiepferde. Und immerhin steht Pegasus, das geflügelte Pferd aus der griechischen Mythologie (Kind des Meeresgottes Poseidon und der Medusa) oft als Symbol für Fantasie.
Ein lächelnder Junge mit Brille posiert mit einer grünen, zotteligen Boa.
Zwar kein Stück,...
... aber Kostüme gestalten Kids in „Expedition Wasserwelt“ in der Uni für Angewandte Kunst am Wiener Oskar-Kokoschka-Platz. Johanna und Flora schneiden aus hellblauem Stoff Kostüme für ihre „Verwandlung“ in Delfine. Auch Alina schneidet und klebt Stoffteile für einen solchen Meeresbewohner. Lena und Zoe stürzen sich ins Getümmel rund um viel orangefarbenen Stoff und werken an der Gestaltung von Seepferdchen. Fabian bastelt sich einen Hai. „Ich hab zuerst nicht genau gewusst, was ich machen will und konnte mich nicht entscheiden zwischen einem Pinguin, einem U-Boot und einem Hai, jetzt mach ich mir einen Hai.“ Max schneidet aus einem großen quadratischen Stoff Teile für seinen See-Aal. Viele finden Gefallen an Quallen: Neben Miriam basteln Ella, Julie und Emilia an sehr ähnlichen Kostümen, eine Art Drillings-Quallen mit vielen langen Fäden rund um den Bauch und Hüten aus einer runden Kartonfläche mit tüllartigem zu riesigen Knäuel gebundenem Stoff. Knapp bevor der Kinder-KURIER zum nächsten Workshop aufbricht, demonstriert noch Max sein Tintenfisch-Kostüm mit langen grünen Tentakeln – „der kann eben grüne Tinte spritzen“.
Ein Gesicht aus Obst und Gemüse, darunter Ananas, Erdbeeren und Karotten.
Bilder können übrigens auch schmecken
Manchen so sehr, dass sie am Abend oder in der Früh nach oder vor der KinderuniKunst Teile davon stibitzten… so fehlten Bananen, die junge Künstler_innen zu als Bootsrumpf auf ihr Blatt gelegt hatten. Gemüse, Obst, Nudeln, Reis, Körner waren bei „Weißt du, was du isst?“ das Ausgangsmaterial für die Gestaltung von Bildern in drei verschiedenen Techniken. Stella, Adele und Kyra ließen kleine Gurken als Delfine aus dem Wasser (unter anderem Schaumkronen aus Nudeln) springen. Zentral legten sie einen Sonnenuntergang – wofür sie nach etlichen Versuchen, mit denen sie nicht zufrieden waren, Marillen, Paradeiser und Bananen in einem üppigen Halbkreis auflegten.

Nudelhaare

Viele Nudeln wurden bei Tina und Sonja zu Haaren – eines Clowns. Pia und Raymond, der nicht so gern malt und seiner Kollegin dafür lieber nur die Palette hielt, hatten einen Art Vielfraß als Vor-Bild gelegt. Im viereckig ausgelegten Körper platzierten sie viel Gemüse und Obst, so dass die Figur fast aussah, als würde sie jeden Moment platzen können. Lea, Jana und Alia verpassten ihrer Katze zwei fast teufelsartige Ohren aus roten Paprika. Wie ein teuflischer Kobold wirkt die von Laurenz und Wolfram geschaffene Figur. „Wir haben einfach irgendwie angefangen. Am Anfang wollten wir eine Ananas als Kopf verwenden, das hat uns aber nicht so gefallen, irgendwie ist dann das rausgekommen, einfach eine Fantasiefigur, vielleicht ein außerirdischer Gott“. Bei dem die grünen Blätter der zwei Ananas-Früchte wie büschelige Haare an den Ohren des Wesens wirken.

Vor"lage" malen

Wie bei den anderen Gruppen malte jede und jeder am nächsten Tag von der Vor„lage“ ein eigenes Bild. Da’s bewusst nicht um abmalen ging, entstanden dabei dann auch jeweils zwei oder drei verschiedene Gemälde. Die wiederum wurden von den jungen Künstler_innen in der Folge noch in eine dritte Technik übersetzt – in Acrylplatten geritzt, mit Farbe zugeschmiert und gedruckt – eine ungefährliche Variante der Kaltnadelradierung.

Ein junges Mädchen hält einen Topf mit Salat und Ringelblumen.
Ausflug
Von „Frau Gurke und Herr Paradeiser sagen Hallo“ ließen sich Kids an zwei Tagen gleich einen ganzen Tag zu einer der Gärtnereien der LGV (Genossenschaft von mehr als 100 Wiener Gärtnereien) „entführen“. Am Ende des erfahrungs- und lehrreichen Tages „durften wir jeder selbst einen Topf bemalen und gestalten, mit Erde füllen, einige Pflanzen einsetzten und mit nach Hause nehmen!“, erzählen Alex, Leonie und Geoffrey nach ihrer Rückkehr in die Zentrale der KinderuniKunst dem Kinder-KURIER. Ersterer nahm Minze, Salat und Schnittlauch mit. „Ich hab eine Blume, essbaren Salat, Petersilie und Kohlrabi eingesetzt“, zählt Leonie auf. Geoffrey brachte Zitronenmelisse, Salat, Knollensellerie und auch Kohlrabi mit.

Mehr als 160 Workshops, Ateliers... von fünf Unis

Eine Reihe bunter Stoffpuppen sitzt auf einer Stange vor einem Fenster.
In den mehr als 160 Workshops und Ateliers der fünf beteiligten Kunstunis (Angewandte, Bildende, Musik und darstellende Kunst, Konservatorium und New Design/ St. Pölten) ging’s natürlich nicht nur um die Verbindung von Wissenschaft und Kunst oder Nahrungsmittel und künstlerische Gestaltung, sondern noch um Tausende andere Facetten von Kunst und Kultur – von singen und tanzen über Gestaltung von Medien bis beispielsweise hin zu designen von Verkehrsmitteln. Taban zeigte stolz seine aus Styropor gefertigte Bahn aus „Pimp your Tram“ samt ganzem Bahnhof. „und das ist ein echter Draht“, verkündet er stolz – auf das schwarze etwas deutend. „Außerdem ist mein Zug innen hohl und ich hab ihn ganz alleine ausgehöhlt – mit dem Heißdraht und die Fenster hab ich mit dem Cutter ausgeschnitten. Auch ganz alleine.“

Neu ist in diesem Jahr die Stoff-Familie Bekk - jung & keck - die Zwillinge Kelly und Kenny samt ihren Eltern Elli und Benni (siehe Foto)
www.kinderunikunst.at

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