Niemand ist nur einsprachig

Eine Gruppe Kinder vor dem Eingang der Kinderuni Wien.
Kinderuni Wien 2014: Sprachen sind dieses Mal einer der Schwerpunkte.

Zwei Premieren gab/gibt es bei der – bereits zwölften – Kinderuni Wien: Einen 12-jährigen Tutor bei der Eröffnungsvorlesung. Und (endlich ;)) ein Angebot für Eltern.

Ein Vortragssaal mit Kindern, einem Kameramann und zwei Personen vor einem Tisch mit einem Monitor.
Welche bzw. wie viele Sprachen spricht die Stadt? Mit dieser Lehrveranstaltung wurde die Kinderuni diesmal nicht nur eröffnet, sie läutete auch einen Sprachenschwerpunkt ein, in dem neben Lehrveranstaltungen über auch solche in verschiedenen Sprachen abgehalten werden. Fast ein Dutzend stehen auf dem Programm – von Mandarin (Chinesisch) bis Türkisch und Griechisch, von Italienisch bis Russisch.

Jede/r hat mehrere Sprachen

Das sind aber bei Weitem noch nicht alle Sprachen. Wie Brigitta Busch vom Institut für Sprachwissenschaft in ihrer Startvorlesung erzählte, „gibt es niemanden, wer nur eine Sprache spricht“. Als Beispiele zählte sie auf, wie jede und jeder vielleicht mit Freund_innen anders redet wie mit Eltern, mit der eigenen Katze, dem Hamster oder… wie mit der Lehrerin/dem Lehrer… Und neben all diesen verschiedenen Sprachen gab es in ihrer Vorlesung auch kein einziges Kind, das nur Deutsch beherrscht. Von Englisch und Arabisch über Französisch bis Russisch, Chinesisch, Türkisch, Khmer (Kambodscha) spannte sich der Bogen.

Kinder sitzen in einem Hörsaal und bearbeiten Arbeitsblätter.
Die Lehrende, Brigitta Busch vom Institut für Sprachwissenschaft, hatte ihren 12-jährigen enkel Jan mitgebracht, der als Tutor...
Bei dieser Lehrveranstaltung trat auch ein Kinderuni-Student auf der anderen Seite des Hörsaals – am Mikro und vor der Tafel auf: Jan Busch. Als Tutor (eine Art studierender Assistent) hatte er schon im Vorfeld gemeinsam mit seiner vortragenden Oma Denkmäler und Stätten in Wien fotografiert mit Aufschriften in verschiedenen Sprachen – und teilweise auch Schriften. Außerdem hatte der 12-Jährige, der in Eisenstadt ein Gymnasium besucht, auch schon eine Figur mit verschiedenen Farben angemalt. Jede Farbe stellt eine Sprache dar und jedes Kind malte diese in einen Körperteil der Figur, wo sie ihrer oder seiner Meinung nach am besten hinpasst. Das hatte Buschs Uni-Institut zuvor als Studie mit der Wiener Volksschule Ortnergasse durchgeführt.

Vielsprachig

Eine farbenfrohe Strichmännchen-Zeichnung mit erhobenem Arm.
Jan beispielsweise malte Englisch in die Füße – das sei ein gutes Standbein für die Kommunikation in aller Welt. Wobei es für ihn zwei Versionen von Englisch gibt, wie er sie auch schon erlebt hat: „Eines für die Schule, das nach strengen, starren Regeln abläuft und ein anderes, das viel flexibler ist, um mit Leuten in Amerika oder sonstwo auf der Welt zu reden.“ Russisch malte er Grau, weil es zwar wichtigs sei, er aber dazu kaum einen Bezug habe. Dafür setzte er Latein in den Kopf, „weil man es für vieles brauchen kann“. Türkisch verbindet er mit seinem Lieblings-Essstand in der Nähe der Schule, Französisch möchte er noch besser können. Und dann fand er bei einem Urlaub Zugang zu Niederländisch. „Das konnte und kann ich zwar nicht, aber irgendwie konnte ich mich damals mit einem neuen Freund unterhalten, weil es doch auch mit Deutsch verwandt scheint.“

Sem hatte im gezeichneten Körper fast gar nicht genug Platz für alle Sprachen von denen er etwas kann: Russisch, Deutsch, Slowakisch, Slowenisch, Armenisch, kroatisch, Serbisch, Tschechisch, Türkisch und Italienisch.

Sreylin kann neben Deutsch, Englisch und Französisch auch ein bisschen Khmer (Kambodscha).

Viele Sprachen und Zuwanderung gehören zu Wien

Eine Auflistung von Sprachen und Nationalitäten in Wien im 16. bis 19. Jahrhundert.
Brigitta Busch verblüffte die Jungstudierenden – und vermutlich nicht nur sie – auch damit, dass Sprachenvielfalt gerade für Wien gar nichts Neues ist. Unter anderem beamte sie ein mehr als 460 Jahre altes Zitat (von Wolfgang Schmeltzl) an die Wand, der gut eineinhalb Dutzend Sprachen aufzählt, die 1548 in Wien gesprochen wurden. Und auch Zuwanderung ist ein altes Phänomen: vor mehr als 120 Jahren waren fast zwei Drittel der Wienerinnen und Wiener nicht hier geboren worden, in Favoriten waren es sogar mehr als drei Viertel ;)

Die Kinderuni Wien läuft noch bis 19. Juli (Sponsionstag). Es gibt noch Restplätze.

www.kinderuni.at

Eine Gruppe von Menschen sitzt an Tischen im Freien vor einem Gebäude.
An gemütlichen Tischen bei Tee, Datteln und Nüssen können Eltern ...
Apropos andere Sprachen und Zuwanderung: für Eltern oder andere erwachsene Begleitpersonen, die ja nicht in die Lehrveranstaltungen dürfen, organisiert die Kinderuni diesmal am Campus (dem sogenannten alten AKH) eine „Lebendige Kinderuni Elternbibliothek“. So erzählten beispielsweise – bei Tee, Datteln, Nüssen und Rosinen – eine Hazara über das Leben in Jaghori, dem Dorf in Afghanistan aus dem sie stammt und von wo sie flüchten musste. Rolanda Limani, geboren und aufgewachsen in Gjakovë (im Kosovo) schilderte ihre ersten nicht gerade erfreulichen Erlebnisse in Österreich nach der Matura in ihrer ersten Heimat. Die starke Kämpferin jedoch gab nie auf und heute ist sie Integrations-Coach.

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