Das große Buch der Grausamkeiten

Vaje iz Sedenja - Sitzübungen von Alenka Hain, Teater Šentjanž/St. Johann

Ein riesiges Buch lehnt mitten auf der Bühne – blau und mit einer Art Wappen vorne drauf. Es ist nicht nur ein Deko-Kulissen-Teil. Allerspätestens wenn es im Laufe des Stücks "Vaje iz Sedenja - Sitzübungen" von Teater Šentjanž│St. Johann aufgeklappt wird, stellt sich das heraus. Irgendwie schon früher. Bücher spielen eine große, ja die zentrale Rolle. Sie bilden eine Art Trittsteine auf der anfangs – außer dem genannten buch – leeren Bühne. Sie fallen in Säcken vom Schnürboden. Sie dienen als Sitzgelegenheiten, Wurfgeschoße, ja Waffen und noch vieles mehr.

Bücherverbrennungen

Viel philosophieren Jani Müller, Miro Müller und Nadja Wieser auf der Bühne über den eigentlichen Sinn und Zweck von Büchern – technisch aber auch über Inhalte. Bücher waren der Ausgangspunkt zu dem die drei, die neben dem Schauspielen (jeweils von jüngsten Kindesbeinen an), allesamt darauf studieren in Volksschulen zu unterrichten, anfangs lange improvisierten. Anlass war der 80. Jahrestag der von den Nazis im März 1933 organisierten Bücherverbrennungen. Aus den Improvisationen des Bühnentrios sowie Inspirationen durch das Buch Divja Evropa (Wildes Europa) von Božidar Jezernik schrieb Regisseurin Alenka Hain das Stück.

Völkermorde, Unterdrückung, Gewalt

Und dennoch bilden die Bücher nur eine Art Basis auf der Themen wie Gewalt, Unterdrückung, Geschlechterrollen, Völkermorde, Vorurteile, Stereoptypen usw. abgehandelt werden. Immer wieder wird T.B. (typische Balkaner) genannt. Natürlich kommen da die kriege rund um den Zerfall des ehemaligen Jugoslawien vor 20 Jahren vor – aber auch die mehrfachen Hinweise, dass diese Art der gewalttätigen Auseinandersetzung mit anderen Volksgruppen nicht wirklich was typisches für den Balkan ist – historische Beispiele wo europäische Mächte Länder in verschiedensten Ecken und Enden der Welt als Kolonien unterjochten und Massaker anrichteten, wollen alles andere als Tote gegeneinander aufrechnen, „lediglich“ zeigen, die menschenverachtende Brutalität ist nicht auf die eine oder andere Nationalität beschränkt.

Geschichte der Herrrschenden

Thematisiert wird allerdings noch drastisch und immer wieder die Frage, wer bestimmt, was wie im großen Buch der Geschichte seinen Niederschlag findet, was die Geschichte der Herrschenden ausmacht. Hier versuchen „DIE“ große Richterin, die ihrerseits zu Hause vom Ehemann vollkommen unterdrückt wird, und Bond, James Bond, darüber zu bestimmen. Das geht dem nach wenigen Minuten handyfonierend in den Zuschauerraum stürzenden T.B. gegen den Strich. Er will auch da rein…

Heftig werden die großen, wichtigen Themen aufgegriffen, berührend bis drastisch angesprochen und gespielt – mit viel Nachhall. Wobei jene, die Slowenisch beherrschen sich viel leichter tun, weil sie nicht auf die eingeblendeten Übertitel achten, sondern sich mehr aufs einstündige dichte Spiel konzentrieren können.

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