Cyber-Mobbing ist (fast) allgegenwärtig.
Opfer haben noch weniger Möglichkeit, sich dem Nieder- und Fertigmachen zu entziehen als bei off-air-Attacken beispielsweise in der Schule. Denn dem Internet entkommst du nie. Da in den nächsten Monaten auch im „großen“ Nationalrat eine entsprechende Initiative bevorsteht, befasst sich das jüngste Jugendparlament Ende November auch mit dieser Materie. Hoffentlich als Vorbild!
Erstes Treffen im Plenum des Nationalrats-Sitzungssaales
Rund 100 Jüngst-Abgeordnete aus fünf Kärntner Schulen (da dieses Bundesland derzeit den Vorsitz im Bundesrat führt) diskutierten – und beschlossen in abgeänderter Form – einen neuen §106a des Strafgesetzbuches. Intensiv berieten die Jugendlichen aus dem Villacher Peraugymnasium, der Polytechnischen Schule Rudolf-Kattnigg-Straße (ebenfalls Villach), dem Klagenfurter Europagymnasium, dem B(R)G für SlowenInnen/Z(R)G za Slovence in Klagenfurt/Celovec sowie der Höheren Lehranstalt für Wirtschaftliche Berufe in Spittal an der Drau, in vier Fraktionen (Türkis, Weiß, Gelb, Violett) sowie in zwei Ausschuss-Sitzungen und anschließend in einer Plenardebatte Maßnahmen gegen
Cyber-Mobbing.
Sitzungen des Ausschusses, wo Delegierte der vier Fraktionen zu Beratungen und Beschlüssen zusammen kommen
War im ursprünglichen Entwurf vorgesehen, jene, die andere länger über elektronische Kommunikationsmittel beeinträchtigen bzw. verletzen, mit bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe bzw. 5000 Euro Geldstrafe zu belangen (bei – versuchtem – Selbstmord bis zu sieben Jahre), so waren sich alle vier Fraktionen in mehreren Punkten schnell einig:
* In manchen Fällen muss Mobbing nicht länger dauern, um Menschen erheblich zu beeinträchtigen, sie beispielsweise mindestens zu einem Schulwechsel zu nötigen
* Sind Jugendliche TäterInnen, sollten sie beim ersten mal nicht eingesperrt werden, sondern Sozialarbeit verrichten
* Begleitend sollte es für Opfer psychologische Betreuung und für TäterInnen Therapie geben
* In Schulen braucht/bräuchte es ausreichend PsychologInnen, Workshops, Aufklärung.
Marko Marjanović und Adem Oman (T) hielten ihren Beitrag gemeinsam („weil wir ungefähr dasselbe sagen wollten“, wie letzterer nach der Sitzung dem KiKu erklärte) und bedauerte, dass nicht genügend Zeit war, einige Details genauer auszuführen – wie die Sozialarbeit, die geleistet werden sollte.
Über das Wie und die konkrete Ausgestaltung gab es unterschiedliche Auffassungen, zwei verschiedene Änderungsvorschläge, von denen nur einer eine Mehrheit im Ausschuss bekam und somit ins Plenum eingebracht wurde. In der einstündigen Plenardebatte im Nationalrats-Sitzungssaal ergriffen immerhin 27 Jugendliche und damit fast ein Drittel der teilnehmenden Schüler_innen das Wort am wohl berühmtesten Redner_innen-Pult des Landes. Und – wie bei praktisch jedem Jugendparlament – frei von Polemik, rein sachlich, kurz und auf den Punkt gebracht.
Dort wurde der Antrag mehrheitlich beschlossen, ebenso eine Reihe von Entschließungsanträgen, die begleitende Hilfe, Unterstützung und Aufklärung verlangten – von Kontakt-Beratungsstellen in allen Bezirkshauptmannschaften bis zu SpezialistInnen in jeder Polizeidienststelle. Obwohl bei etlichen Abstimmungen die jugendlichen vorbildlich nicht nach Klub, sondern dem eigenen Gewissen abstimmten, blieb der zuletzt genannte in der Minderheit.
Janina Plank (G) Das Gesetz sei nicht nur für die Opfer wichtig. Auch Täter, die Cybr-Mobbing notwendig hätten, seien selber psychisch krank und sollten eben Therapie erhalten. Und würden Jugendliche gleich eine hohe Geldstrafe kriegen, dann hätten sie doch nur Schulden.
Alle Plenar-Beiträge kurz zusammengefasst in der Bildergalerie 1.
Interviews mit einigen Jugendlichen im nächsten Abschnitt
Weitere Fotos vom Tag im Parlament in der Bildergalerie 2.
Emina Omerdić, Melisa Ribo, Marlen Modl, Christina Pirkervon derHLW Spittal an der Draufanden den Tag im Parlament „spannend, wir konnten uns in der Fraktion schnell einigen, obwohl wir ja alle aus verschiedenen Schulen und Städten kommen. Aber ganz ehrlich, so hatte ich mir die Arbeit im Parlament gar nicht vorgestellt. Aus dem Fernsehen kennt man ja eher Streit. Und ich hab erwartet, dass es viel langweiliger wird.“
Laura Tschlatscher vom Gymnasium Peraustraße in
Villach gibt zu, „am Anfang schon aufgeregt“ gewesen zu sein, „aber im Laufe des Tages wächst du in die Arbeit rein. Ich hab mir davor nicht gedacht, dass wir so richtig viel mitarbeiten und einbringen können.“
Ihre Kollegin Anna Pacher meinte: „Der Tag ist ziemlich intensiv. Das Jugendparlament ist eine gute Erfindung, um zu erleben, wie die Arbeit im Parlament funktioniert.“
Erstes Treffen im Plenum des Nationalrats-Sitzungssaales
Fatma Uğuz, ebenfalls aus dem Villacher Peraugymnasium war „überrascht, dass es gar nicht langweilig war und wir so viele Vorschläge einbringen durften und konnten“.
Patrick Beclin aus dem Europagymnasium
Klagenfurt fand, „am Anfang hat es ziemlich kommod ausgeschaut, aber es ist dann ziemlich stressig geworden mit all den Diskussionen, Argumenten, Fraktionssitzungen und Ausschuss“.
Lea Katarina Mader vom B(R)G für SlowenInnen/Z(R)G za Slovence in Klagenfurt/Celovec hatte sich den Tag „wesentlich einfacher vorgestellt. Es war schon viel Arbeit, zu den Beschlüssen zu kommen. Aber ich fand das sehr interessant und cool. So eine Chance hast du nicht oft im Leben. Ich hoffe nur, dass das große Parlament unseren Gesetzesantrag gegen Cyber-Mobbing aufgreift. Mobbing wird es zwar wahrscheinlich immer geben, aber es muss etwas getan werden, um es zu stoppen.
Adem Omanvon derPolytechnischen Schule in Villachfindet: „Es war ein Super-Einblick, den wir da in die Arbeit im Parlament gewonnen haben. Am meisten beeindruckt haben mich die Sitzungen im Ausschuss – wie super-professionell das abgelaufen ist.“
Abschließendes Gruppenfoto aller Schüler_innen, der begleitenden Abgeordneten des "alten" Parlaments samt 2. Nationalratspräsidenten sowie den Fach-Expert_innen
Das Jugendparlament findet jedes halbe Jahr einmal statt. Bewerben können sich jeweils Klassen der neunten Schulstufe jenes Bundeslandes, das gerade den Vorsitz im
Bundesrat, der Länderkammer des Parlaments, führt. Und der wechselt halbjährlich in alphabetischer Reihenfolge.
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