Update, 11. Juni 2016, 00:14:43: Foto-Galerie hinzugefügt Update, 11. Juni 2016, 00:51:10: Weitere Foto-Galerie hinzugefügt Update, 11. Juni 2016, 21:36:20: Bild-Text-Galerie zum abschließenden Plenum hinzugefügt
Fast 100 Jahre nachdem die internationale Arbeiterbewegung eine ihrer ersten gemeinsamen, wichtigsten Forderungen in einigen Ländern endlich durchgesetzt hatte, stand das Verlangen nach dem Acht-Stunden-Tag auch auf der Tagesordnung des Parlaments an der Wiener Ringstraße. Beim jüngsten
Jugendparlament thematisierten Jugendliche aus fünf Salzburger Schulen Arbeitszeitbeschränkungen für Schülerinnen und Schüler.
Ausgangspunkt war eine fiktive Regierungsvorlage zum späteren Schulbeginn, nachdem zahlreiche Studien belegen, würde der Unterricht nicht um 8 Uhr, sondern später starten, wären Schüler_innen ausgeschlafener, Lehren und Lernen würde auch effizienter.
Gespräche und Glücks-Gesten vor den Reden im Plenum
Als hätten sie die Wichtigkeit ihrer späteren Beschlüsse praktisch unter Beweis stellen wollen, kamen die Jugendlichen in den vier Fraktionen Weiß, Gelb, Türkis und Violett in der ersten Klub- und auch noch der ersten Ausschuss-Sitzung am Freitag-Früh nur ziemlich schleppend in die Gänge. Doch im Laufe des Vormittags erwachten die Geister der Schülerinnen und Schüler aus den beiden BOR_G
St. Johann im Pongau und
Oberndorf, der HLW Neumarkt sowie der Polytechnischen
SchuleTaxenbach.
Verhandlungen über gemeinsame Anträge - und Besprechung mit den Jurist_innen des Parlaments, wie diese formuliert werden müssen
Den doch eher ein wenig die Diskussion anheizen wollenden provokativen Vorschlag, dass
Schule nicht vor 9.30 beginnen sollten lehnten die Abgeordneten für einen Tag doch einhellig ab, aber spät sollte der Unterricht sehr wohl starten. Aber wann? Und überall gleichzeitig? Wie ist das, wenn alle auf die Busverbindungen angewiesen sind? Wie ist das mit Volksschulkinder, deren Eltern spätestens um 8 Uhr an ihren Arbeitsstellen sein müssen? Die Schülerinnen und Schüler machten es sich allesamt nicht leicht, wogen Für und Wider ab, befragten drei zur Verfügung stehende Fachleute, versuchten Bündnisse zu schließen. Dazu wurde auch die Mittagspause genutzt, wo es zeitweise nach einem Drei-Fraktionen-Antrag aussah. Keiner der vier Klubs konnte auch nur annähernd etwas allein durchsetzen. Mindestens zwei mussten einen gemeinsamen Kompromiss finden. Von Verhandlungen zurück in die Klubs. Womit können die Abgeordneten der eigenen Fraktion leben, wieweit wollen sie gehen?
Schließlich standen einander in der zweiten Ausschuss-Sitzung am Nachmittag zwei verschieden Anträge gegenüber, einer von Weiß und Geld, der andere von Türkis plus Violett. Letztere wollten, dass „der Unterricht in der Regel nicht vor 8.30 Uhr beginnen“ sollte, aber eine „Vorverlegung durch den SchulGemeinschaftsAusschuss auf frühestens 7.30 zulässig“ wäre. Jedenfalls „darf der Unterricht nicht länger als bis 18 Uhr, an Samstagen längstens bis 12.45 Uhr dauern“.
Weiß und Gelb schlugen vor, „der Unterricht soll zwischen 8 und 9.30 Uhr beginnen.“ Jedes Schuljahr soll das neu ausgemacht werden – durch eine Beschluss des Schulforums (Schulleiter, Klassenlehrer_innen oder Klassenvorstände und alle Klassenelternvertreter_innen aller Klassen). 18 Uhr ist jedenfalls Schluss, Samstag frei.
Mit zwei Stimmen Mehrheit wurde dieser Antrag im Ausschuss angenommen womit er zur Grundlage für die abschließende Debatte im Plenum wurde. Mehr als ein Viertel aller Abgeordneten für diesen Tag meldeten sich dort zu Wort. Trotz inhaltlicher Differenzen – die zugegebenermaßen so groß doch nicht waren – wurde sicher das eine oder andere Mal pointiert, aber praktisch nur sachlich diskutiert und argumentiert. Alle hörten den jeweiligen Redner_innen zu, mehr als ein halbes Dutzend Mal gab es spontane Widerreden von den Sitzreihen aus. Ach ja, und bei den Abstimmungen kam es mehrfach vor, dass Abgeordnete sich nicht dem unterwarfen, was gemeinhin als Klubzwang bekannt ist – zur Verwunderung einiger der echten Abgeordneten.
45 Minuten, Doppelstunden, Lern- und Förderstunden
Neben dem (fiktiven) Gesetzesvorschlag brachten die jungen Abgeordneten aber noch eine Reihe von Entschließungsanträgen ein, die den späteren
Unterrichtsbeginn ergänzen sollten: Schulstunden sollten auf 45 Minuten verkürzt werden, in „Hauptfächern“ möge es Doppelstunden geben in denen die jeweils zweite für Übungen, Nachfragen und Gruppenarbeiten zur Verfügung stehen. Der schulische Tagesablauf sollte künftig schulautonom und durch den SchulGemeinschaftsAusschuss (in dem neben den Lehrer_innen und Eltern auch die Schüler_innen vertreten sind) festgelegt werden können. Außerdem solle es künftig die Möglichkeiten von Lern- und Förderstunden in den ersten und letzten Stunden vor und nach dem regulären
Unterrichtsbeginn geben.
Anerkennung von den echten Abgeordneten
Auch die fünf echten Nationalratsabgeordneten, die an diesem Tag als Coaches für die Klubs bzw. Koalitionsverhandlungen und die jugendlichen Medienleute zur Verfügung standen, und der zweite Nationalratspräsident bewundernd feststellten, haben alle mit Respekt und einander Wert schätzend die inhaltliche Auseinandersetzung ausgetragen. Davon könnten sich manche im Hohen Haus in ihrem Alltag die eine oder andere Scheibe abschneiden, so der anerkennende Tenor der „alten“ Politiker_innen für ihre jungen vorübergehenden Kolleg_innen.
Mehr Fotos von diesem
Jugendparlament findest du in den beiden folgenden Bildergalerien
Ein ausführlicherer Bericht über die Plenardebatte folgt noch
Interview-Girls: Claudia Staudacher, Lisa Čikal. Christina Dum und Dženita Haračić
„
Voi vü gfreit, dass mia so vü mitredn deaf‘n“ – so lautte die erste spontane Reaktion vonDženita Haračićvon der 5. Klasse des BORG
St. Johann im Pongau, als der Kinder-KURIER wissen will, was sie vom Tag als Abgeordnete im Parlament hält. Sie hätte eher damit gerechnet, den echten Abgeordneten zuhören zu sollen/dürfen/müssen.
Während Claudia Staudacher, ihre Klassenkollegin, „sich das schon vorher ungefähr so vorgestellt hatte, wie es nun abläuft, ist auch Christina Dum, Klubvorsitzende der Violetten ganz hingerissen: „Ich find’s voll cool, wie wir da selber mitgestalten können und dürfen, uns mit denen von den anderen Klubs austauschen. Das taugt mir voll. Jetzt überleg ich mir sogar, ob ich nicht vielleicht selber einmal in die Politik einsteigen will.“ Lisa Čikal „bin überrascht, dass wir uns alle so beteiligen dürfen“.
Zwillingsbrüder Fahad und Saad Alobaidi aus der HLW Neumarkt. Seit rund einem Jahr sind sie in Österreich, geflüchtet aus dem irakischen Mossul vor dem IS. Wo ihr Deutsch (noch) nicht reicht, erklären Lehrkräfte auch auf Englisch, vor allem aber übersetzt Mitschüler Shoaib Wahidullah, vor sieben Jahren aus Afghanistan geflüchtet, ins Englische ;)
Die Zwillingsbrüder Fahad und Saad Alobaidi von der HLW Neumarkt teilten sich auf zwei Gruppen jugendlicher Medienmacher_innen auf: Der eine arbeitet in der Facebook-Gruppe, der andere bei der Zeitung. Seit rund einem Jahr sind sie in
Österreich, geflüchtet aus dem irakischen Mossul vor dem IS. Wo ihr Deutsch (noch) nicht reicht, erklären Lehrkräfte auch auf Englisch, vor allem aber übersetzt Mitschüler
Shoaib Wahidullah, vor sieben Jahren aus
Afghanistan geflüchtet, ins Englische ;)
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