Dreh den Spieß um...

Da staunten Vorübergehende nicht schlecht. Über ihren Köpfen fanden sie einen gedeckten Tisch. Früchte, Schinken... Sozusagen Daniel Spoerri "schau oba". Der in Rumänien geborene, in der Schweiz aufgewachsene Künstler wurde unter anderem mit seinen Tisch-Objekten berühmt. Wie nach einem Essen - Reste auf den Tellern, Tschickstummel im Aschenbecher... "eingefroren" - hängte er sie an Wänden auf. Hier also noch um einen Viertelkreis weiter gedreht. Inspiration für das Objekt des Projekts "criticArt" (kritische Kunst) war aber nicht nur Spoerri, sondern vor allem das englische Sprichwort "turn the tables", was nichts mit turntables (Plattenspieler) zu tun hat, sondern unserem "den Spieß umdrehen" auch im Sinne von den Blickwinkel verändern entspricht.
Tisch „decken“

Jugendliche von "Jobfit", einem Zweig in der Schule Holzhausergasse (Wien-Leopoldstadt), in dem entweder statt oder nach dem neunten Schuljahr in Form von Praktika und Projekten in verschiedene Bereiche und Felder reingeschnuppert werden kann, haben diesen Tisch gebaut. "Wir haben die Sachen, keine wirkliches Essen, sondern nur aus Kunststoff, gekauft, auf den Tisch geklebt, auch chemische Flüssigkeiten, die nach einem Tag fest geworden sind...", erzählen Nadja Saoudi, Angelique Ehmayer und Adrian Kampitsch dem Kinder-KURIER.
Davon machten sie ein Foto. Dieses Motiv ziert eine Postkarte. Und die schickten sie an "wichtige Menschen", von denen sie "einen Satz der Hoffnung" für Jugendliche zum Thema Arbeitsmarkt haben wollten ("sentence of hope" zum Thema Arbeitsmarkt – Jugend – Europa; Unterstützung von Comenius und "Vielfalter").
Karten„häuser“

Das Trio präsentiert auch den Originaltisch - diesmal auf dem Boden stehend - bei der Eröffnung einer Ausstellung im Schulhaus. Steht der Tisch gleich im Erdgeschoß, so haben sie im zweiten Stock ein Klassenzimmer in eine Galerie verwandelt. Die Wände sind mit Kunststofffolien abgedeckt - wie bei einer Baustelle. Zentral steht ein, fast gespenstisch beleuchteter Tisch. Auf diesem haben die drei und noch gut ein Dutzend weiterer Schülerinnen und Schüler aus rund 150 Postkarten künstlerische Objekte geformt.
"Zuerst wollten wir ein großes und ein kleines Stadion bauen", beginnt Angelique Ehmayer, "aber dann hat sich's irgendwie ergeben, dass es so ein bisschen wie eine Krone ausschaut." Damit gibt es auch den einen und anderen Einblick auf die Textseiten der Karten.
Viel- oder nichts-sagend

"Jede der Schulen in den sieben Ländern, die mitgemacht haben (Rumänien, Deutschland, Spanien, Italien, Türkei, Griechenland und Österreich) hat eine eigene Postkarte gestaltet", so Nadja Saoudi. "Die haben die Jugendlichen dann an so 20 bis 30 Leute geschickt - Kanzler, Präsidenten und so und sie gebeten, dass sie einen Satz der Hoffnung zurückschreiben."
Kam keine Antwort, so wurde den Empfänger_innen "versprochen", eine leere Karte mit ihrer Adresse in der Ausstellung zu verwenden. "Wir haben uns schon gefreut, dass ein paar zurückgeschrieben haben, sogar der Bundespräsident und eine Ministerin und ein Minister. In Spanien die haben gar keine einzige Antwort bekommen. In der Türkei aber haben alle zurück geschrieben", schildern Nadja Saoudi und Angelique Ehmayer vor der Krone, dem Kartenhaus, der Spirale, die die Verbindung zwischen mehreren der Objekte symbolisiert und unterhalb der schrägen Röhre, die wie eine Art Satellit im Weltall zu fliegen scheint.
Sätze der Hoffnung (?)

Hier Antworten, die die Jugendlichen der Wiener Schule bekamen, alphabetisch sortiert nach den Anfangsbuchstaben der Nachnamen:
„Jeder Mensch hat ein unendliches Potential an Begabungen, es liegt am Mut, diese zu entfalten.“ (Landesschulinspektor Rupert Corazza)Entscheidend für eine geringe Jugendarbeitslosigkeit ist jedoch eine duale Ausbildung.“ Bundeskanzler Werner Faymann)„Ich darf euch mitteilen, dass der Bundespräsident dieses Projekt sehr begrüßt und jede Initiative in diese Richtung befürwortet.“ (Heinz Fischer)„Gute Ausbildung hilft gegen Arbeitslosigkeit.“ ( Wiens Bürgermeister Michael Häupl)„Die europäische Jugendgarantie bringt ein Recht auf ein Ausbildungs- oder Jobangebot.“ (Arbeits- und Sozialminister Rudolf Hundstorfer)„In der Hoffnung liegt die Kraft zur positiven Veränderung.“ (Vorsteher des zweiten Bezirks – in dem die Schule liegt - Karl- Heinz Hora) „Die Jugend ist unsere Hoffnung und Zukunft zugleich!“ (Jugend- und Familienminsiterin Sophie Karmasin) „Betriebliche Ausbildung gibt tolle Lebenschancen!“ (Wirtschaftskammer-Cehf Christoph Leitl)„Die Bildung ist wichtig, dann gibt es auch keine Arbeitslosen.“ (Eva Maria Sand, Wr. Stadtschulrat)
Reisen

Nach der Ausstellung in Wien werden die Objekte wieder zerlegt, die Karten weiter geschickt in die nächste Schule. Jede Schule gestaltet ihre eigene, jeweils andere Ausstellung. Im kommenden Frühjahr gibt es ein Treffen von Jugendlichen aller beteiligter Schulen im spanischen Valencia. "Eines hat es schon gegeben in Athen", merkt Adrian Kampitsch an. Da war er dabei. "Es war schon ganz schön stressig, Freizeit haben wir fast keine gehabt, nicht einmal baden gehen konnten wir. Aber wir haben uns nicht nur ausgetauscht, was wir schon gemacht haben, sondern auch gemeinsam ein bisschen was von der Stadt angeschaut. Ganz wirklich auf der Akropolis oder in einem alten griechischen Theater zu stehen, das war schon beeindruckend", ist er noch Wochen danach sichtlich fasziniert von den historischen Überresten der alten Hochkultur. Im Gegensatz dazu "war die Schule vom Projekt ziemlich weit draußen und nicht so beeindruckend, eher so wie bei uns in einer der Siedlungen am Rand der Stadt mit den vielen Häusern wie Plattenbauten."
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