Alle lernen Gebärdensprache

Ein Junge liegt auf einer blauen Matte, während ein Mann und ein Mädchen im Rollstuhl zusehen.
Lokalaugenschein von "Licht für die Welt" in einer Schule in Sucre (Bolivien).

Bolivien liegt in Südamerika und zählt zu den ärmsten Ländern des Kontinents. Im Umgang mit behinderten Kindern ist eine besondere Schule in der Hauptstadt Sucre aber echt Klasse.

Lokalaugenschein in der Schule der „Licht für die Welt“-Partnerorganisation „E.T.I.“ in Boliviens Hauptstadt Sucre: In einem der Klassenzimmer sitzen 27 Kinder und begrüßen ihre österreichischen Gäste. Dass sie nicht nur mit dem Mund, sondern auch mit den Händen „sprechen“, ist für sie alle ganz selbstverständlich. „Wir haben zwei gehörlose Kinder hier, deshalb können alle die Gebärdensprache recht gut“, erklärt ihre Lehrerin.

Miguel in der ersten Reihe stellt das auch gleich unter Beweis: Kichernd bringt der 13-Jährige dem Besuch die Gebärden für „Guten Morgen“ und „Danke“ bei. Dass er die Gebärdensprache lernen musste, findet er nicht so toll, denn: „Das war am Anfang echt schwer“. Dass er sie nun aber kann, findet der Teenager hingegen super: „Es ist schon cool, wenn man sich mit wirklich allen Klassenkameraden unterhalten kann.“ Auch für alle anderen Schüler und Lehrer ist Gebärdensprache ein Pflichtfach – eine Idee, von der auch Österreich etwas lernen könnte.

Welches Konzept sich dahinter verbirgt, verrät ein Schild an der Wand des Klassenzimmers: „Für Inklusion schlägt unser Herz“, steht dort auf Spanisch geschrieben. Im Klartext bedeutet das sperrige Wort „Inklusion“ ein gemeinsames, und gleichzeitig auf die jeweiligen Bedürfnisse abgestimmtes Lernen für alle.

Alle gemeinsam, jede/r im eigenen Tempo

Eine Lehrerin unterrichtet eine Klasse von Schülern in einem Klassenzimmer.
Noch ein Blick in die Klassen der Kleinen…
„Es ist enorm wichtig, dass im Mathematikunterricht auch wirklich alle mitmachen – aber eben nach ihren Fähigkeiten“, erklärt denn auch Maria Elena Caballero, die ein paar Zimmer weiter gerade die dritte Grundschulklasse unterrichtet. 34 Kinder drücken hier die Schulbank, neun davon mit intellektuellen bzw. körperlichen Behinderungen. Während einige Kinder in ihre Rechenaufgaben vertieft sind, ordnet ein Mädchen mit Autismus (einer Entwicklungsstörung) bunte Zahlenkarten in einer Reihe. Ein Bub neben ihr wiederum fädelt zehn rote und schwarze Perlen auf eine Rechenschnur. „Wichtig ist, dass alle an Zahlen bzw. einem Begriff davon arbeiten – und sich dabei weiterentwickeln“, so Caballero.

Alle gemeinsam, jeder in seinem Tempo: Dieser Idee kann auch Eva Nittmann viel abgewinnen. Seit fünf Jahren ist sie als Programmkoordinatorin für die Bolivien-Projekte der österreichischen Hilfsorganisation „Licht für die Welt“ zuständig. Gemeinsam mit der lokalen Partnerorganisation E.T.I. versucht sie, möglichst vielen behinderten Menschen in Bolivien ein menschenwürdiges und chancenreiches Leben zu ermöglichen: „Manchmal ist diese Arbeit schon sehr herausfordernd, aber ich bekomme auch viel zurück. Und am Schönsten ist es, wenn man die Früchte der Arbeit sieht.“ In der inklusiven Schule in Sucre sind diese Früchte jedenfalls sehr deutlich zu sehen…
Silke Ruprechtsberger

PS: Mit 25 Euro im Monat kann man ein behindertes Kind in Bolivien unterstützen. Mehr Infos dazu gibt es auf http://www.lichtfuerdiewelt.at/kinderpate

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