Feuer oder Speere

Ein Mann mit lockigem Haar bläst in ein großes Schneckenhorn.
Demokratie oder Diktatur - der Klassiker "Herr der Fliegen" im Wiener Theater der Jugend

Die Landung ist zwar unfreiwillig und hart, aber ist es nicht ein Traum? Einsame Insel, Strand, Meer. Jugendliche allein, keine erwachsenen Autoritäten. Niemand, der anschafft, was zu tun ist. Möglichkeit zur freien Entfaltung… aus diesem Traum lässt William Golding in seiner vor rund 60 Jahren veröffentlichten Erzählung einen Albtraum werden. Der spätere Literatur-Nobelpreisträger musste übrigens fast zwei Dutzend Verlage abklappern, bevor „Herr der Fliegen“ das Licht der Öffentlichkeit erblickte.

Zwei Schauspieler auf einer Bühne, einer hält eine Muschel hoch, während der andere ihn festhält.
Auch wenn die Story – auch in der Theaterversion von Nigel Williams - nach dem Absturz eines Flugzeugs auf einer einsamen Insel und allein unter Jugendlichen (bei Golding sind es Kinder) stattfindet, sie ist und bleibt ein Gleichnis auf die Gesellschaft im Allgemeinen: Die einen, die in offener, demokratischer Versammlung beraten wollen, was zu tun wäre, welche Schritte als nächstes gesetzt werden, um nach Möglichkeit aller Rettung zu erreichen. Hier wird auch – zugegeben erst nach anfänglichen Verspottungen ein Außenseiter wie der dickliche, bebrillte Junge mit noch dazu dem leicht zur Verballhornung einladenden Namen Piggy – akzeptiert. Auf der anderen Seite, die Gruppe jener, die dem Prinzip „starker Mann“ und bedingungsloser Gehorsam huldigt. Und so nebenbei ihn hinter dem verrottenden Schweinekopf. Der von Fliegen umschwirrt wird, anbetet. Übrigens „Herr der Fliegen“ ist eine Überstzung des hebräischen Baal-Zebub (unschwer als Beelzebub, eine andere Bezeichnung für Teufel zu erkennen).

Feuer oder Speere

Auf einer Bühne kauern mehrere Schauspieler vor einer abstrakten, grünen Kulisse.
Während erstere finden, das Schlaueste wäre, mal Feuer zu machen, meinen die anderen, Speere, Waffen seien das Wichtigste, es könnte ja wilde Tiere geben.

Vor lauter hysterischer Panik vor einer vermeintlichen Bestie töten sie sogar Simon, einen der Jungen. Die einen schieben die Tat erst weg, wollen sie gar nicht wahrhaben, die anderen jedoch lassen sch von ihrem Anführer einreden, sie sei notwendig gewesen, denn die Bestie hätte von Simon Besitz ergriffen…

Körperbetont

Mehrere Personen mit Fackeln stehen auf einer Bühne im Nebel.
Hart urwüchsig, körper- und über weite Strecken recht kampfbetont läuft die Inszenierung in einem archaisch-urwüchsigen Bühnenbild im Haupthaus des Theaters der Jugend in der Wiener Neubaugasse ab. Stilisierte Trümmer der abgestürzten Maschine werden gleichzeitig zu Elementen des Dschungels.

Entwicklungs-Chance

Irgendwie wäre für die doch fast zwei Stunden zu wünschen, die Entwicklung einzelner Charaktere mehr miterleben zu können. Wie sich die einzelnen Figuren für die eine oder andere Gruppe entscheiden. So wirkt alles ein wenig zu sehr einfach behauptet – sind einfach so.

Eine Gruppe junger Männer in Schuluniformen singt gemeinsam auf einer Bühne.
Herr der Fliegen
von Nigel Williams
nach dem gleichnamigen Roman von William Golding, Deutsch von Astrid Windorf
Aufführungsrechte: Verlag Felix Bloch Erben, Berlin

Ab 13 Jahren

Besetzung
Ralph: Alexander Absenger
Jack: Raphael Nicholas
Piggy: André Haedicke
Roger: Christopher Ammann
Sam: Benjamin Plautz
Eric: Philipp Dürnberger
Simon: Jan Hutter
Henry: David Jakob
Maurice: Felix von Bredow
Bill: Matthias Hacker
Perceval: Jennifer Newrkla

Regie: Michael Schachermaier
Bühne: Judith Leikauf und Karl Fehringer
Kostüme: Susanne Özpinar
Musik: Hans Wagner
Licht: Lukas Kaltenbäck
Kampfcoaching: Martin Woldan
Dramaturgie: Marlene Schneider
Assistenz und Inspizienz: Eva Maria Gsöllpointner
Hospitanz: Barbara Bogdany

Bis 3. Mai
Renaissancetheater
1070, Neubaugasse 36
Telefon: (01) 521 10-0

www.tdj.at

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