"Wir sind ein bunter Haufen"

Drei junge Preisträger des Schüler/innen-Wettbewerbs im Literaturhaus Wien präsentieren ihre Urkunden.
Erster Jugendlichen-Reportagen-Wettbewerb der Erich-Fried-Tage. Interviews mit den drei Erstplatzierten

Die Namen meiner Klassenkameraden richtig auszusprechen, bedarf manchmal einer gewissen Übung. Sie heißen Danae, Akay oder Serhat. Wir sind ein bunter Haufen, bei dem man das Gefühl hat, nicht verreisen zu müssen, um die Welt kennenzulernen.

Eine junge Frau mit Brille spricht vor einem Mikrofon im Literaturhaus.
Sarah Teje Fürst liest ihren siegreichen Text vor

Insgesamt sind wir zwölf Mädchen und zwölf Jungs. Wir kommen aus vier Kontinenten, zwölf Ländern, sprechen insgesamt zehn Sprachen und haben vier verschiedene Religionen.“

So beginnt die Reportage der 16-jährigen Sarah Teje Fürst. Übrigens mit einer Mutter aus Vorarlberg. „Das globale Klassenzimmer“ nannte die junge Autorin ihren Beitrag für den erstmals durchgeführten Reportagen-Wettbewerb. Die Siegerehrung erfolgt am Vorabend (Rahmenprogramm) des Internationalen Literaturfestivals/ Erich-Fried-Tage des Wiener Literaturhauses (5. bzw. 6. bis 11.Oktober 2015).

International statt Zentralmatura

Gemischte Johannisbeeren und Stachelbeeren liegen nebeneinander.
Vielfalt - bunte Beeren

„Ursprünglich“, so die junge Reporterin zum Kinder-KURIER, „wollte ich über die Zentralmatura schreiben. Aber die Diskussionen rund um Flucht und Flüchtlinge hat mich Anfang der Sommerferien dazu gebracht, in irgendeiner Weise dieses Thema aufzugreifen, aber doch anders zu behandeln. Da hab ich mir mein Umfeld genauer angesehen und bei meiner Klasse ist es ziemlich klar, wir kommen aus vielen Ländern, sprechen viele verschiedene Sprachen und kommen gut miteinander aus. Und da hab ich begonnen meine Mitschülerinnen und Mitschüler der Reihe nach auszufragen.“

Aus diesem Ausgangs-Recherche-Material begann Sarah Teje Fürst einen ersten Text zu schreiben. „Den hab ich dann aber mehrmals überarbeitet. Dass ich gewonnen habe, hat mich sehr überrascht“, gesteht sie im Gespräch mit dem Kinder-KURIER, bei dem sie im übrigen vor Jahren ihre berufspraktischen Tage absolviert hatte.

Drei aus drei Dutzend

Preisträger des Schüler/innen-Wettbewerbs „Facts and Fiction“ im Literaturhaus Wien.
Sieger_innen und Jury-Mitglieder: Gustav Ernst (Autor und Herausgeber), Clara Porak, Robert Huez (Leiter Literaturhaus Wien), Sarah Teje Fürst, Zita Bereuter (Leiterin des Literaturressorts bei FM4), Johannes Lang

Das Literaturfestival steht in diesem Jahr unter dem Motto „Facts and Fiction“, also Tatsachen und Erfindungen. Literarische Reportagen Jugendlicher waren für den Premieren-Bewerb gesucht. Rund drei Dutzend Texte wurden eingesandt, die drei Juror_innen - Zita Bereuter (Leiterin des Literaturressorts bei FM4), Gustav Ernst (Autor und Herausgeber) und Robert Huez (Leiter Literaturhaus Wien) – wählten daraus die drei besten aus. Alle drei starke Texte – zu jeweils gänzlich unterschiedlichen Themen. Vom Text der Siegerin war schon die Rede, pardon Schreibe. Nun zu den beiden anderen ausgezeichneten Beiträgen.

Drei Wochen China

Johannes Lang hält seine Urkunde für den 2. Preis beim Schüler/innen-Wettbewerb in den Händen.
Zweiter: Johannes Lang

Johannes Lang lernt seit drei Jahren Chinesisch (Mandarin). Der Neulandschüler (Grinzing) pendelt dafür einmal wöchentlich ins AKG, wo Jugendliche aus verschiedenen Schulen diese Sprache erlernen. Die Gruppe flog mit einer Lehrerin für drei Wochen in die 10-Millionen-Stadt Qingdao, etwa 500 Kilometer südwestlich von Peking, und besuchte die Schule in Jiaozhou, einem Vorort der genannten Stadt. „In der Schule haben wir nicht wirklich viel verstanden, aber da wir bei Familien gewohnt haben und die kaum bis gar nicht Englisch konnten, haben wir in dieser Zeit nur Chinesisch gesprochen. Das hat schon einiges gebracht“, sagt er im Interview dem KiKu.

In seiner Reportage beschreibt er plastisch und lebensnah anschaulich so einen Schultag, den großen Wert, der auf Bildung gelegt wird, aber auch den eher fast militärischen Schul-Drill.

Poetry Slam: Matthias ist mehr

Clara Porak hält ihre Urkunde für den 3. Preis beim Schüler/innen-Wettbewerb „Facts and Fiction“.
Dritte: Clara Porak

Als Clara Porak vom Bewerb erfuhr hat sie einen für sie wichtigen, nein den wichtigsten Text, den sie schon hatte, eingesandt. „Ich mach regelmäßig bei Poetry Slams mit“, sagt sie dem Kinder-KURIER im Gespräch nach der Preisverleihung. „Das war mein erster Text.“ Er handelt von ihrem Bruder Matthias. „Gefühle kommen aus mir meistens schriftartig raus“, beschreibt sie den Anlass für den schon früher verfassten Text, der ihren Bruder vielseitig beschreibt. Und dass es sie ärgert, dass er vielfach, möglicherweise sogar meistens nur auf eines reduziert wird. Und noch dazu etwas, das er mehr hat: Ein Chromosom. „Aus etwas, das eigentlich mehr sein sollte, machst du weniger, du reduzierst jemanden, den du maximieren solltest!“

Fast gegen Ende ihrer Reportage bringt sie’s alles auf den Punkt: „Mein Bruder hat vielleicht Down Syndrom, aber er ist nicht Down Syndrom. Er ist unendlich viel mehr.“

Hier kannst du den kompletten Text der Siegerin, der erstmals in der Literaturzeitschrift "kolik" veröffentlicht wurde, downloaden!

Da geht’s zum Text Jiaozhou Gymnasium No. 1, mit dem Johannes Lang (17) Zweiter des Reportagen-Bewerbs wurde.

Und hier ist der Text „Matthias, der mehr ist. Oder: Übers Geschwistersein“ von Clara Porak (17), Dritte des Bewerbs.

Hier geht's zum vollständigen Programm der Erich-Fried-Tage mit Workshops und Schullesungen

Fünf junge Leute posieren vor Kunstwerken in einer Galerie.
Einige aus dem "Globalen Klassenzimmer" des Siegertextes von Sarah Teje Fürst (Mitte): Argi-Xho Naku ("Afrim", links), Natalie und Melanie Demirciyan und Milica Peković ("Mara")

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