Lila, nicht schwarz!

Eine Frau in einem lila Overall steht mit erhobenen Armen auf einer Bühne.
"schwarzweißlila": Witzig, spielfreudig, freches Schau-, Puppen- und Tanzspiel für Toleranz und gegen Vorurteile im Dschungel Wien.

Haaaammeeeer!!! Pure Spielfreude, -witz und wichtige Messages. Nie ein politisch korrekter Leitartikel, kein erhobener Zeigefinger, eher lustvoll gestreckte Mittelfinger gegen Intoleranz. Eines der besten Stücke, das je auf den Bühnen des Dschungel Wien zu sehen, nein in dem Fall definitiv wirklich zu erleben ist: schwarzweißlila.

Preisgekrönt und mehr

Eine Frau in lila Trainingsanzug sitzt auf einem Turm aus bemalten Kartons, während ein Mann vor ihr steht.
Szenenfoto aus "Schwarzweißlila" im Dschungel Wien
Das Stück von Volker Schmidt, mit dem er schon vor Jahren den Berliner Kindertheaterpreis gewonnen hat, ist – so sagen jene, die die Version in der deutschen Hauptstadt gesehen haben – hier noch um einiges besser. Das liegt an der Kombination aus Regie durch den Autor, einer kongenial spielenden, singenden, tanzenden fünfköpfigen Bühnen-Crew, der einfachen und doch so viele Möglichkeiten eröffnenden Ausstattung und nicht zuletzt dem spannenden Spiel mit Puppen und Live-Kamera (hier sind – noch – technische Schwächen auszumachen).

Weshalb bestimmen immer Erwachsene über Kinder???

Eine Puppe mit Zöpfen sitzt auf einem Modell einer Stadt aus weißen Häusern.
Szenenfoto aus "Schwarzweißlila" im Dschungel Wien
So, viel auf einmal, ohne noch etwas über das Stück selbst zu sagen. Also: Vor dem Hintergrund einer riesigen Wand aus weißen Schachteln muss die elfjährige Lila ihr Zeug einpacken. Ihre Mutter, die vielleicht liebenswürdigste Bühnen-Tussie ( Mira Tscherne) hat beschlossen, des Business‘ wegen aus einer Groß- in eine eher provinzielle Kleinstadt zu ziehen. Neue, fremde Umgebung, Klasse usw. Obendrein weiß Lila nichts über ihren Vater, die Mutter antwortet auf all ihre Fragen, das sei kompliziert und sie würde es später einmal erzählen. Das nervt die Tochter natürlich. Denn später ist nie. „Weshalb müssen immer Erwachsene über das Leben der Kinder entscheiden?“, fragt sie nicht nur einmal. In der Kleinstadt ist sie mehrfache Außenseiterin – zugezogen und obendrein dunkelhäutig.

Schau- und Puppenspielerin

Eine Frau sitzt mit gekreuzten Beinen auf dem Boden, umgeben von Spielzeug und hält einen Boxhandschuh am Stiel.
Szenenfoto aus "Schwarzweißlila" im Dschungel Wien
Lila, ein starkes Mädchen vom Typ Pippi Langstrumpf, die verquerer sogenannter Logik Erwachsener ihren eigenen, kindlich-naiv scheinenden und viel menschlich-logischeren Trotzkopf entgegensetzt ist mit Nancy Mensah-Offei idealst besetzt. Als wäre das Stück ihr genau auf den Kopf und Leib geschrieben. Ist es natürlich nicht, es entstand 2007. Um diese Zeit maturiert die 1989 in Obuasi ( Ghana) geborene Schauspielerin gerade in Linz. Viviane Podlich baute eine Lila-Puppe, mit der die Lila-Darstellerin nicht zuletzt die Wege durch die Kleinstadt – die während des Stücks aus einzelnen der Schachteln gebaut wird – geht – von der Kamera auf die verbleibende Schachtelwand projiziert (was nicht immer g‘scheit klappt). Einwandfrei und sehr witzig spielt Nancy Mensah-Offei jedoch gleich zu Beginn beim Abschied aus der Großstadtwohnung mit vielen Puppen und Figuren – unter Einsatz eines Sprachwitzes aus teils Sinn ergebenden, teils willkürlich zu Sätzen zusammengefügter möglichst abgehoben klingender Fremdwörter.

Tänze

Eine Person liegt auf dem Boden, während eine andere Person in einer Kulisse aus Kartonhäusern kniet.
Szenenfoto aus "Schwarzweißlila" im Dschungel Wien
Sven Kaschte schlüpft gleich in mehrere rollen – vom überheblichen, geschäftigen Vater des Mitschülers Dennis (Neuentdeckung Josef Mohamed), über den kumpelhaften bayrisch-gefärbten Automechaniker bis zum Kurzauftritt als Bahnbeamter als Lila ihre Reise nach Afrika antreten will, um ihren Vater zu suchen (sie fand eine Brief von ihm an ihre Mutter). Futurelove Sibanda, schon in vielen Produktionen im Dschungel zu sehen, läuft in der Rolle des Asylwerbers Basuro, der sich auf Lilas Bitte einlässt, für eine Geburtstagsparty als ihr Vater aufzutreten, zu schauspielerischer Hochform auf. Er übernahm aber auch die musikalische Leitung und choreografierte die unterschiedlichen Tanzsequenzen von Hip Hop bis zum Azonto, einem derzeit sehr hippen Tanz in Ghana.

Achja, irgendwann erklärt die Mutter die heftige Sache mit Lilas Vater, die sei hier aber jenen, die das Stück anschauen, noch nicht verraten.

Message - so "nebenbei" ;)

„Natürlich ist das Stück in Bezug auf die Asyldebatte und den wachsenden Rassismus gerade jetzt relevant, aber es ist kein Stück über Flüchtlinge oder Rassismus. Es ist ein Stück Leben. Man kann unsere Welt nicht betrachten, indem man nur ein Thema herausgreift“, meint Regisseur Volker Schmidt – und wie? Völlig zurecht.

Zwei Schauspieler stehen vor einer Wand aus weißen Blöcken, einer hält ein Skateboard.
Szenenfoto aus "Schwarzweißlila" im Dschungel Wien
DENNIS: Ich heiße Dennis. Du bist –
LILA: Lila.
DENNIS: Du bist schwarz.
LILA: Nein, ich bin Lila.
DENNIS: Aber du bist schwarz.
LILA: Und du bist saublöd.
DENNIS: Wieso?
LILA: Wieso bin ich schwarz?
DENNIS: Deine Haut.
LILA: Das ist doch nicht schwarz.
DENNIS: Okay. Dann Milchkaffee.
LILA: Dann bist du Magertopfen...

DENNIS: Ich bin Dennis.
LILA: Und?
DENNIS: Coole Haare.
LILA: Danke.
DENNIS: Du hast es den Mädchen in der Klasse ganz schön gezeigt.
LILA: Was hab ich ihnen gezeigt?
DENNIS: Es. Es ihnen gezeigt. Kannst du nicht Deutsch?
LILA: Ich subkommandiere brachial besser als du in deiner Privatheit dir erträumen lässt.
DENNIS: Okay. Klingt gut.
LILA: Veranstalten Sie keine Polio oder ich zerkratze Ihnen mondän die Benutzeroberfläche.
DENNIS: Cool. Woher hast du das?
LILA: Aus dem Fernsehen. Aus dem Radio. Da sammelt man diese Ganglien.
DENNIS: Was sind Ganglien?
LILA: Was hab ich den Mädchen gezeigt?
DENNIS: Die fahren voll auf deine Haare ab. Die wollten doch alle gleich mit dir befreundet sein. Und du hast sie abblitzen lassen. Das fand ich cool. Ich kann die Mädchen in unserer Klasse nicht leiden.
LILA: Da wo ich her komm, hab ich einen Menge Freundinnen. Und die sind um einiges cooler. Die wollen nicht immer gleich meine Haare anfassen. Die sind aus der Türkei und Vietnam, Uganda und Uruguay und Bosnien. Die haben nicht gesagt ich sei schwarz und so ein Mist. Hier gibt’s nur Schwachköpfe.

Niveau

VATER (von Dennis): Pass auf. Wir wissen nicht wo die her kommt.
LILA: Aus Österreich.
VATER: Ja. Ja. Jetzt wollen auf einmal alle Österreicher sein.
LILA: Woher kommen Sie?
VATER: Komm jetzt, Dennis und lass die in Ruhe.
LILA: Er macht ja gar nichts.
DENNIS: Die geht jetzt in unsere Klasse.
VATER: Da hätte man auch uns Eltern fragen können.
DENNIS: Wieso?
VATER: Weil Ausländer das Niveau drücken.
LILA: Das Niveau ist hier nur peripher kartographiert

Schwarzweißlila
Dschungel Wien
Schauspiel; ab 10 J., ca. 90 Minuten

Autor, Regie: Volker Schmidt
Darsteller_innen:
Lila: Nancy Mensah-Offei
Lilas Mutter: Mira Tscherne
Dennis: Josef Mohamed
Dennis' Vater
Mechaniker Manfred
Bahnbeamter: Sven Kaschte
Herr Basuro: Futurelove Sibanda

Choreografie,
musikal. Leitung: Futurelove Sibanda
Ausstattung: Thea Hoffmann-Axthelm
Licht: Stefan Enderle

Betreuung Puppenspiel: Viviane Podlich
Regieassistenz: Agnes Zenker
Ausstattungshospitanz: Freda Fiala

Aufführungsrechte: Österreichischer Bühnenverlag Kaiser & Co., Wien

Wann & wo?
Bis 26. April
Dschungel Wien
1070, MuseumsQuartier
Telefon: (01) 522 07 20-20
www.dschungelwien.at

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